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Du bist die Frau!
Canetti/GettyImages

Du bist die Frau!

Johanna Fröhlich
Ein Beitrag von Johanna Fröhlich, Evangelische Pfarrerin, Gießen
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Ich stehe an der Fußgängerampel. Plötzlich rast eine Frau auf ihrem Fahrrad an mir vorbei und fährt mich fast um. Ich rege mich auf. Bin total wütend. Nachdem ich einmal durchgeschnauft habe, sehe ich: ich stehe ja selber mitten auf dem Radweg.

König David und die Frau eines Anderen

„Du bist die Frau!“ kommt mir in den Sinn. Du bist die Frau, über die man sich aufregen kann. Das muss ich erklären. In der Bibel gibt es eine Geschichte von  König David, der in eine krumme Sache verstrickt war. Er hatte einem Mann die Frau weg genommen und deren Mann in den Krieg und damit in den sicheren Tod geschickt. Doch er war sich keiner Schuld bewusst. Der Prophet und Berater Nathan besuchte David, um ihm das klar zu machen. Und er benutzte einen Trick: Er warf dem König seine Schuld nicht einfach vor. Das würde der nicht hören wollen.

Nathan erzählt

Nathan erzählte eine Geschichte über einen ganz anderen Mann und dessen Betrug, leicht abgewandelt. David regte sich auf: “Der Mann ist ein Kind des Todes!“, schimpfte er. Und Nathan entgegnete: „Du bist der Mann!“ Jetzt erst erkannte David in der Geschichte seine eigene Schuld und bereute, was er getan hatte.

"Du bist der Mann"

Dieser besondere Moment ist bei mir hängen geblieben: Du bist der Mann. Oder für mich auf dem Fahrradweg eben: Du bist die Frau!Und es war mir schon oft eine Lehre: Wenn mich jemand auf die Palme bringt, dann versuche ich den Rollenwechsel: Warum regt der mich denn jetzt so auf? Du machst doch die selben Fehler.

„Fass Dir an die eigene Nase, bevor Du Dich aufregst!“

Tatsächlich: Das, was mich am meisten nervt, ist oft das, was ich selbst nicht gut kann. Bevor ich mich das nächste Mal aufrege: Denke ich also lieber: Du bist die Frau. „Fass Dir an die eigene Nase, bevor Du Dich aufregst!“

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