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Die Spuren Gottes
Bild; pixabay

Die Spuren Gottes

Dr. Marco Bonacker
Ein Beitrag von Dr. Marco Bonacker, Katholischer Leiter der Abteilung Bildung und Kultur im Bischöflichen Generalvikariat Fulda
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Ich weiß nicht, ob Sie regelmäßig beten. Aber selbst wenn Sie es selten tun oder es schon lange nicht mehr getan haben, kennen Sie das vielleicht: Sie beten, versuchen mit Gott zu sprechen und bekommen keine Antwort. Gott scheint zu schweigen! Zumindest geht es mir so: Ich höre keine Antwort. Und noch schlimmer; mich beschleicht manchmal das Gefühl, dass ich ein Selbstgespräch führe. Dabei denke ich immer wieder an ein Zitat des Theologen Romano Guardini. Für mich ein sehr bewegendes Zitat. Es stammt aus seinen Lebensbeschreibungen: "Wir sagen Gott und meinen doch uns selbst." Für Guardini ist deswegen klar: Dieser Gefahr müssen wir entgehen. Im Glauben geht es deswegen immer um Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die den Einzelnen tragen kann, wenn die Stimme Gottes ihn nicht zu erreichen scheint. Diese Gemeinschaft ist die sichtbare Kirche. Sie will jedem Menschen eine Hilfe sein, um mit Gott in Verbindung zu bleiben.

Das vermeintliche Schweigen Gottes ist ein Grundthema christlicher Spiritualität. Und auch nicht wenige Heilige hatten immer wieder Phasen, in denen das Schweigen Gottes sie belastet und erschüttert hat. Für mich war es eine befreiende Erkenntnis als mir immer bewusster wurde: Der Gott, an den ich als Christ glauben darf, ist ein lebendiger, personaler Gott, der uns wirklich begleiten will und der die ganze Existenz erhält. Von daher muss ich nicht warten, bis ich Gott höre, sondern darf mit offenen Augen durch die Welt laufen. Dann kann ich überall seine Spuren und sein Handeln sehen! Auch so spricht Gott mit mir, indem ich meine Lebenswirklichkeit als Realität verstehe, für die er die eigentliche Ursache ist.

Alfred Delp, ein Jesuit, der im Widerstand gegen die Nazis ermordet wurde und zu diesem Zeitpunkt bereits im Gefängnis ist, bringt es 1944 auf den Punkt, wenn er schreibt: "Das eine ist mir so klar und spürbar wie selten: Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen. Das gilt für alles Schöne und auch für das Elend."

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