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Was ein Kind bei der Beerdigung des Opas wissen will
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Was ein Kind bei der Beerdigung des Opas wissen will

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad
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„Gott küsst den Opa wieder wach!“ Fröhlich und keck kommt meine vierjährige Nichte auf dem Friedhof zu mir gelaufen. Sie hat vorher am offenen Grab jedem einzelnen Erdwurf nachgeschaut. Fasziniert hat sie beobachtet, wie die Erde auf dem Sarg ihres Opas immer mehr wurde. Die Pfarrerin, die die Beerdigung gehalten hat, stand neben ihr am Grab. Irgendwann zupfte meine Nichte an deren Talar. Die Pfarrerin beugte sich zu ihr, und meine Nichte hat gefragt: „Was passiert jetzt mit meinem Opa?“ Die Pfarrerin hat geantwortet: „Gott küsst deinen Opa wieder wach!“ Da hellt sich das Gesicht der Kleinen auf. Sie kommt zu mir gelaufen, weil sie mir gleich diese Neuigkeit mitteilen muss.

Schon vorher bei der Trauerfeier in der Kirche hatte meine Nichte viele Fragen: „Liegt der Opa jetzt da in der Truhe?“ Ich antworte: „Ja, in dem Sarg.“ „Geht es ihm da gut?“ „Ja, er hat seinen schönen Anzug an und liegt weich auf einem Kissen unter einer warmen Decke.“ Meine Nichte will noch mehr wissen: „Bekommt er da auch etwas zu essen?“ Die Antwort fällt mir schwerer. Ich wollte ihr sagen, dass der Opa einerseits im Sarg ist, aber andererseits auch schon im Himmel bei Gott. Aber wie soll ich ihr das erklären? Ich versuche es so: „Da, wo der Opa jetzt ist, gibt es bestimmt leckeres Essen!“ Das überzeugt meine Nichte nicht so ganz. Sie hört auf zu fragen.

Aber dann am Grab hat ihr die Pfarrerin eine Antwort gegeben, mit der sie viel anfangen kann: „Gott küsst den Opa wieder wach!“ Ich weiß nicht, wie sich das meine Nichte vorstellt: Gott küsst einen Menschen. Und der wacht dadurch auf?

Küssen ist etwas Wunderschönes. Menschen küssen schon immer. Bevor es Feuer gab oder Werkzeug, um die Nahrung zu zerkleinern, haben Eltern das Essen vorgekaut und dann mit einem Kuss ihren Kindern weitergegeben. Ein Kuss drückt also aus, wie wichtig mir der andere ist. Ich will dass er lebt und es ihm gut geht.

Wenn zwei Menschen sich leidenschaftlich küssen, versinken sie ineinander. Dann werden Grenzen für einen Augenblick aufgehoben. Da ist ein Du und ein Ich und gleichzeitig fühlen sich die beiden wie eins.

„Gott küsst den Opa wieder wach!“ Gott will, dass der  Großvater lebt und es ihm gut geht. Der Großvater war lange schwer krank. Sein Tod war eine Erlösung für ihn und für die Familie. Ich glaube: Jetzt hat Gott ihn zu neuem Leben auferweckt. Zu einem Leben bei ihm. Wieder wach geküsst, wie meine Nichte sagt, weil Gott ihn liebt. Sein begrenztes Leben hier auf der Erde ist nun verwandelt zum ewigen Leben bei Gott.

Liebe will Ewigkeit. Wer liebt, wünscht sich, dass dieses Gefühl nie aufhört. Liebe will mehr, als hier auf der Erde möglich ist. Sie akzeptiert nicht, dass der geliebte Mensch durch eine Krankheit zerfällt und stirbt. Liebe ist stark wie der Tod, steht in der Bibel. So verstehe ich, was wir morgen an Ostern feiern: Auferstehung von den Toten. Gott hat Jesus von den Toten auferweckt. Er hat ihn wachgeküsst, damit Jesus lebt und wir mit ihm. Gott überwindet die Grenze des Todes. Seine Liebe ist der Grund. Meine Nichte  sagt: „Gott küsst den Opa wieder wach.“ Und ich frage mich: Wie es wohl sein wird, wenn mich Gott eines Tages wach küsst?

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