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Demenz und Demensch
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Demenz und Demensch

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Vor einiger Zeit ging ich wieder in das Pflegeheim in der Nachbarschaft, um einen Gottesdienst mit den Bewohnern zu feiern. Im Foyer sah ich einen Kalender an der Wand hängen. Darauf eine Karikatur. Zwei alte Männer, die auf einem Steg an einem See sitzen. Ihre Rollatoren haben sie abgestellt. Sagt der eine zum anderen: „Wir werden ständig überwacht. Unsere Pfleger wissen ganz genau, wo wir sind.“ Darauf der andere: „Aber das Tolle ist doch, dass wir es nicht wissen.“

Ich habe gelacht und mir den Kalender genauer angeschaut und erfahren: Seit einigen Jahren gibt es diese Kalender-Reihe schon, herausgegeben vom Altersforscher Thomas Klie und dem Zeichner Peter Gaymann. Der Kalender heißt nicht Demenz, sondern „Demensch“. Schon der Name sagt: Hier geht es um einen humorvollen Umgang mit der Demenz.

Ich weiß, wie hart Demenz ist, für die Betroffenen und die Familien. Darf man über Demenz lachen? Unbedingt, finden die Kalender-Macher Klie und Gaymann. Sie sagen: „Solange man nicht über die Betroffenen lacht, sondern mit ihnen. Wir möchten sensibilisieren für mehrdeutige Situationen, die mithilfe des Humors ein anderes Gesicht erhalten.“ Sie möchten die Debatte über Demenz entkrampfen. Ich finde: Sie tun das mit Esprit und Scharfsinn.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Bei einer so schweren Krankheit wie Demenz ist das „trotzdem“ sehr groß. Humor kann man niemandem befehlen, schon gar nicht angesichts einer solchen Krankheit. Ich merke aber, wie wohltuend es ist, wenn Betroffene und ihre Familien solche Momente trotzdem haben. Denn Humor schafft einen Abstand zwischen mir und meinen Problemen. Ich kann mich innerlich erfrischen.

Mein Glaube sagt mir: Das hat Gott so eingerichtet. Ob Gott selbst Humor hat? Jemand hat mal gesagt: Gott hat ja den Menschen nach seinem Bilde geschaffen. Und wenn der Mensch sich frühmorgens nach dem Aufstehen noch mit Schlaf in den Augen und verwuselten Haaren im Spiegel selbst betrachtet, dann müsse Gott einfach Humor haben.

Ich glaube: Humor ist ein Geschenk Gottes. Denn ein menschenfreundlicher Humor hat die Kraft, die drückende Sicht auf Probleme zu entschärfen. Auch wenn ich nicht alles Schwierige im Leben mit Humor nehmen kann. Denn er beseitigt nicht meine großen und kleinen Probleme. Aber Humor macht das kleiner, was mir Angst macht und unheimlich erscheint. Er raubt ihm die alles bestimmende Übermacht.

Diese Haltung strahlt Herr Ackerfeld aus, den ich oft im Pflegeheim treffe. Er wohnt dort mit seiner Frau, die dement ist und im Rollstuhl sitzt. Nach jedem Gottesdient erzählt er mir am Ausgang einen Witz, der zum Thema der Predigt passt. Das Thema diesmal war „Gesundheit und Glaube“. Er sagte: „Herr Pfarrer, kennen Sie den? Sitzen zwei Bewohner im Pflegeheim zusammen. Sagt der eine: Hauptsache gesund. Sagt der andere. Ja, alles andere kannst du vergessen.“ Frau Ackerfeld und ich mussten lachen.

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