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Da ist kein Gott drin

Da ist kein Gott drin

Jochen Straub
Ein Beitrag von Jochen Straub, Seelsorge für Menschen mit Behinderung im Bistum Limburg
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„Da ist kein Gott drin.“ – Diesen Satz habe ich einmal in einem Text von Dorothee Sölle gelesen, einer großen evangelischen Theologin, die ich sehr bewundere. Er steht in einem Brief, den sie an ihre Kinder geschrieben hat. Darin hat sich Dorothee Sölle an eine Szene erinnert, die sich auf einer ihrer vielen Reisen zugetragen hatte. Sie hatte mit ihren Kindern eine Kirche besucht, eine ziemlich hässliche. Und eines ihrer Kinder hat dann spontan gesagt: „Ist kein Gott drin.“

Ich finde, dieser Satz passt wunderbar auch zum heutigen Fronleichnamsfest. Die katholischen Christen tragen ja an diesem Tag in einer Monstranz Jesus durch die Straßen. Das tun sie nicht, weil die Kirchen so hässlich wären. Sondern: weil Jesus auch nach draußen gehört, weil er in der Welt drin ist. Mit der geweihten Hostie in der Monstranz zeigen die Christen: Hier ist Gott drin. Wenn die Christen Jesus in der geweihten Hostie durch die Straßen tragen, zeigen sie: Hier, mitten in der Straße, in der Stadt, ist auch Gott drin. Und dann wird die Monstranz durch die Welt getragen.

Ich gehe mit der Prozession hinter der Monstranz her. Ich spüre: In den Wegen, die ich gehe - da ist Gott drin. Dabei ist es egal, ob die Wege sauber oder schmutzig sind. In den Blumen, die ich sehe, die so herrlich leuchten und duften – da ist Gott drin. In den Menschen, die mit mir gehen – da ist Gott drin. Manche schauen froh, manche traurig. Manche sehen noch etwas müde aus. Gott ist auch in der Liebe, die mich mit vielen Menschen verbindet. Und zwar so lebendig, wie es nur sein kann. Sicher, oft genug gibt es Situationen, in denen ich merke: Hier ist Gott nicht da. Oder wie es das Kind von Dorothee Sölle sagte: „Hier ist kein Gott drin.“ Das Fronleichnamsfest ist für mich eine Einladung, immer wieder die Augen offen zu halten nach der Anwesenheit Gottes in der Kirche und im Leben. Ich will die Augen offen halten und Gott auch da entdecken, wo ich ihn erst mal vielleicht nicht vermute: außerhalb der Kirche, auf den Straßen, mitten im Leben und mitten in der Welt.

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