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"Hetz mal einen Apfel reif!“
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"Hetz mal einen Apfel reif!“

Alexandra Becker
Ein Beitrag von Alexandra Becker, Katholische Pastoralreferentin, Pfarrei St. Franziskus, Frankfurt

Ich weiß nicht, wie viele Postkartenkalender ich schon geschenkt bekommen habe. Manchmal mit wirklich flachen Sprüchen. Das grenzt dann schon an Papierverschwendung. Aber immer mal wieder sind auch Kalendersprüche dabei, die mich zum Schmunzeln bringen oder sogar zum Nachdenken. Über meinen Lieblingsspruch aus den letzten Jahren, konnte ich beides: Schmunzeln und Nachdenken: Hetz mal einen Apfel reif! Die Karte mit dem Spruch drauf hat sogar einen Platz auf meinem Schreibtisch bekommen: Hetz mal einen Apfel reif.

Klar: das geht nicht. Wenn etwas reifen soll, dann braucht das einfach seine Zeit. Das kürzeste Gleichnis in der Bibel wurde daher vermutlich für besonders Ungeduldige erzählt: Das Gleichnis vom Senfkorn. Da heißt es: Das Senfkorn ist das kleinste Samenkorn, aber wenn es gewachsen ist, dann wird es zu einem großen Baum. So groß, dass die Vögel des Himmels darin ihre Nester bauen. Mehr steht da wirklich nicht. Schon viele kluge Predigten hab ich dazu gehört. Aber letztlich ist das eine einfache Botschaft: Es gibt Dinge im Leben, die können wir einfach nicht beschleunigen, die brauchen ihre Zeit. Das geht nicht nur dem Apfel oder einem guten Rotwein so, sondern auch Eltern in der Erziehung ihrer Kinder oder Trauernden, die einen lieben Menschen verloren haben – das braucht einfach Zeit.

Das Gleichnis vom Senfkorn finde ich aber auch deshalb so schön, weil es den Wert des Kleinen in den Mittelpunkt stellt. Manchmal wächst aus einem kleinen Lächeln die ganz große Liebe. Manchmal reicht ein kleines „Entschuldigung“, aus dem Versöhnung wird. Plötzlich ist alles wieder gut. Und auch das habe ich erlebt: aus einem winzigen Stoßgebet kann wieder Glaube wachsen oder meine Beziehung zu Gott. Denn auch der Glaube beginnt nicht einfach groß. Die Erfahrungen, die Menschen in ihrem Glauben machen, sind so unterschiedlich und scheinen manchmal sogar bedeutungslos. Aber wer weiß schon, was da wächst und gedeiht?
Und es ist ein tolles Gefühl, wenn ich merke: mein Glaube ist reifer geworden. Er ist so groß geworden ist, dass er mir Kraft gibt und Halt.

Es gehört zum Glauben dazu, dass er niemals ganz reif ist. Es gibt ihn nicht, den Moment, in dem ich sagen kann: mein Glaube ist ausgereift. Aber wenn ich ihn ein kleines bisschen pflege, dann kann ich ernten. Immer und immer wieder.
Die Sommerferien sind eine gute Zeit, um mir das mal wieder bewusst zu machen: Die wirklich guten Dinge im Leben brauchen Zeit: Ich hetz doch auch keinen Apfel reif.

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