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Zivilcourage im Mittelalter
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Zivilcourage im Mittelalter

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Es gibt viele Persönlichkeiten, die mich mit ihrem Einsatz für mehr Menschlichkeit beeindrucken. Und mich immer wieder motivieren, selbst in meinem Alltag Zivilcourage zu zeigen. Besonders faszinierend finde ich seit einer Weile den Theologen Alkuin, dessen Gedenktag die katholische Kirche heute feiert. Er hat sich nämlich zu einer Zeit für mehr Toleranz eingesetzt, in der solche humanen Gedanken besonders wenig Konjunktur hatten: im frühen Mittelalter. Genauer: im achten Jahrhundert. 

Alkuin hat damals einem der mächtigsten Herrscher Europas als Berater gedient: dem Frankenkönig und späteren Kaiser Karl der Große. Dabei hat er als Gelehrter einen enormen Einfluss gehabt. Karl hielt große Stücke auf ihn. Trotzdem hat sich Alkuin getraut, seinen König bei einer Gewissensfrage immer wieder heftig zu kritisieren: Für Alkuin war es mit der Lehre von Jesus nicht vereinbar, Menschen zwangsweise zum Christentum zu bekehren und mit Gewalt zu missionieren. Den Glauben muss man nach seiner festen Überzeugung freiwillig annehmen. 

Das war heikel, denn Karl  war in die Sachsenkriege verstrickt: Mit Zwangs-bekehrungen und brutalen Attacken ging er gegen die Sachsen vor, die damals Heiden waren und etwa zwischen Rhein und Elbe lebten. Bei Karl stieß Alkuin daher leider zunächst auf taube Ohren. Einige Forscher meinen aber: Dank dieser Kritik ist Karl später gegenüber anderen Völkern etwas gemäßigter vorgegangen. Einen Menschenrechts-Mahner wie Alkuin wollte Karl aber wohl irgendwann nicht mehr um sich herum dulden:  Er hat ihn in ein Kloster abgeschoben.

Mit seinem Toleranzanliegen ist Alkuin seiner Zeit voraus gewesen. Und er hat seine Position auf einem gefährlich glatten Parkett vertreten: Damals hätte ihm ein härteres Schicksal treffen können als ein beschauliches Klosterleben. Alkuins Beispiel für Zivilcourage imponiert mir. Und spornt mich an. Denn ich denke manchmal: Wenn jemand in so rauen Zeiten Position für mehr Humanität beziehen kann, dann kann ich das doch erst recht in meinem vergleichsweise bequemen Alltag: mich für Benachteiligte engagieren. Gegen Intoleranz eintreten. Zivilcourage zeigen.

 

 

 

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