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Urlaub vom Müssen
GettyImages/ Eleonora Grigorjeva

Urlaub vom Müssen

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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Bald muss ich weniger. Ich muss nicht mehr früh aufstehen, ich muss nicht mehr in Besprechungen sitzen, ich muss nicht arbeiten, wenn ich eigentlich Fahrrad fahren will. Heute beginnen in Hessen offiziell die Schulferien, und ich gehöre zu den Glücklichen, die bald frei haben.

Urlaubsreif

Ich bin urlaubsreif. Wie ein Apfel, der lang am Baum der Arbeit gereift ist, bin ich nun reif, in den Urlaub gepflückt zu werden.

Cidre auf der Terrasse

Ein lauer Sommerabend, mit Freunden bei einem Glas Cidre auf der noch sonnendurchwärmten Terrasse, mit Ruhe. Mit der Aussicht, morgen drängelt nichts oder muss gemacht werden. Urlaub ist die Zeit mit weniger Müssen. Urlaub vom Müssen. Urlaub davon, Dinge zu tun, die nötig sind, auf die ich aber gar keine Lust habe.

Urlaub zu Hause ist nicht so einfach

Nur zu Hause ist das manchmal schwierig. Denn zu Hause sind die Stimmen laut, die mich auffordern, das zu tun, was ich seit Wochen vor mir herschiebe. Ich schaue in meine Wohnung und alles ruft: Du musst noch aufräumen, den Brief abschicken, das Beet umgraben.

Neues für alle Sinne

Ich brauche eine Umgebung, die anderes in mir zum Klingen bringt als das Müssen. Ich brauche eine Umgebung, die Neues in mir weckt. Das könnte eine Düne sein mit Blick aufs Meer, eine frische Brise auf der Haut und den Geruch von salziger, kühler Meeresluft in der Nase, um mich herum blökende Schafe und schreiende Möwen. Für viele geht das in diesem Jahr nicht.

Enten, Glocken, Bienen

Aber es tut auch die Terrasse einer Freundin in Herborn. Ich höre die Glocken der Stadtkirche läuten, beobachte die Enten an der Dill. Im Garten abends schaue ich Stunde um Stunde in die Sterne. Sehe den Bienen beim Einchecken im Bienenhotel zu und lausche morgens beim Aufwachen den Amseln.

Einfach nur sein

Ich nehme wahr, was um mich her geschieht. Ich muss auf nichts antworten, nicht reagieren, nicht sofort handeln. Im Urlaub kann ich einfach nur sein. Etwas in mir klingt mit der Amsel, die auf dem Baumwipfel singt. Innerlich summe ich mit.

Klatschmohn, Kinderfüße, Hummeln

Ich lebe auf, weil Neues in mir widerklingt. Ich sehe den hochgewachsenen Klatsch-Mohn. Ich höre die nackten Füße der Kinder meiner Freundin beim Rennen auf dem Rasen. Nebenan gibt es Hühner. Das Summen der Hummeln mischt sich mit dem Plätschern der Dill.

Meine Gedanken hüpfen von da nach dort. Mein Inneres schwingt sich ein auf Urlaub. Der Ruf "du musst" wird leiser. Ich höre einen neuen Grundton: Du könntest auch. Viel ist möglich. Nichts muss. Das macht Urlaub für mich aus in diesem Jahr: Ab heute muss ich weniger.

Freiheit für die, die zu viel um die Ohren hatten

Hoffentlich geht das vielen so, die jetzt oder später frei haben: UrlaUrlaub für die, die zu viel um die Ohren hattenub vom Müssen. Gerade für die, die im letzten Jahr zu viel hatten. Zu viel Arbeit, oder zu viel Enge. Jetzt geht der Blick in die Weite. Möglichkeiten, alte Fragen und Antworten tauchen wieder auf.

Einen Urlaubssegen und weitere Inspirationen für einen schönen Sommer finden Sie hier

 

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