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Midge Ure "From Hell to Heaven"
Bildquelle Pixabay

Midge Ure "From Hell to Heaven"

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Lebenslust – die wünscht man sich natürlich immer. Aber im Sommer ganz besonders. Wie erlebt man sie, die Lebenslust im Sommer? Jetzt, wo Corona wieder manches zulässt, machen viele doch noch Urlaub, andere gehen zuhause ins Schwimmbad und genießen laue Abende auf der Terrasse. Alles, was hilft, die Seele baumeln zu lassen. Oft spielt Musik dabei eine wichtige Rolle. Mit einem Rhythmus voller Energie, wenn Kopf und Fuß mitschwingen, beginnt der ganze Körper zu lächeln. Mit einem solchen Rhythmus beginnt ein Song von Midge Ure, dem Frontmann der Rockgruppe Ultravox:

Musik

Lebenslust, aber nicht auf oberflächliche Art

In diesem Song geht es für mich um Lebenslust. Allerdings nicht auf eine leichte, oberflächliche Art. Das stellt schon der Titel klar. Er lautet: „From Hell zu Heaven“ – Also: „Von der Hölle zum Himmel“. Das sind große Worte. Religiöse Begriffe, die auch Gott in den Blick nehmen. In diesem Song spricht Midge Ure aus, was viele wissen, aber nicht gerne hören.

Musik

Wenn ich verstehen könnte, warum ein Land wegwirft, was andere zum Überleben brauchen, dann könnte ich vielleicht rechtfertigen, was ich sehe.

Auf der einen Seite Überfluß, auf der anderen Seite Armut

Midge Ure wirft einen elementaren Blick auf die Welt: Warum werfen die einen ihren Überfluss in den Müll, obwohl die anderen darauf dringend angewiesen wären? Ich sehe die Bilder vor mir: Die Plastikmüll-Teppiche auf den Meeren, die Müllberge an Land, Hungergestalten in Afrika. Das ist alles nicht neu. Das treibt mich – und viele andere – schon seit vielen Jahren um. Midge Ure auch. Sein Song stammt aus dem Jahr 1988.

Midge Ure weiß, wie die Welt tickt

„Warum leben die einen im Überfluss, während andere zu wenig haben?“ Diese so einfache wie grundlegende Frage stellt Midge Ure nicht, weil er naiv wäre. Er ist heute 70 Jahre alt und hat viel erlebt. Er stammt aus einfachen Verhältnissen in Glasgow. Seine Karriere begann in einer Schülerband und führte über viele Stationen in die Top Ten der Popmusik. Er weiß, wie die Welt tickt. Er weiß, wie Märkte funktionieren und wie das Geld durch die Welt strömt.

Manche Menschen leben in einer kaltherzigen Komfort-Zone

Midge Ure weiß auch vieles über die Menschen: Fähig zur Liebe, fähig zum Mitgefühl, fähig zum Helfen. Aber eben auch getrieben von der Angst, zu kurz zu kommen. Oft bereit, den eigenen Egoismus nach vorne zu stellen. Auch bereit, die Augen vor den Missständen zu verschließen, um die eigene Behaglichkeit zu schützen. Aber das ist eine kaltherzige Komfort-Zone. Mit der will sich Midge Ure nicht abfinden.

Musik

Ich kann einfach nicht akzeptieren, dass wir, die so viel haben, zusehen, wie andere sterben. Wer hat die Welt, in der wir leben, so gestaltet?

Man gewöhnt sich an das Leid

Seit Jahrzehnten leiden Menschen Mangel. Viele ertrinken im Mittelmeer – auf der Flucht vor der Not und auf der Suche nach Leben. Aktuell bedroht die Corona-Pandemie viele Existenzen. Man weiß es. Man bedauert es. Aber man gewöhnt sich auch daran. Viele versuchen durch Wegschauen ihre Lebenslust zu bewahren.

In der Nächstenliebe eine tiefere Dimension der Lebenslust finden

Midge Ure geht einen anderen Weg. Er hat erlebt: Helfen ist schön. Solidarität macht stark. In der Nächstenliebe findet er eine tiefere Dimension der Lebenslust. Midge Ure war in den 1980er Jahren eine treibende Kraft hinter den großen Hilfsprojekten Band Aid und Live 8: Musik gegen die Not in Afrika.

"Who designed this world?"

Seitdem engagiert er sich auch an vielen anderen Stellen für Benachteiligte. Daraus entstand 1988 sein Song: „From Hell to Heaven“. Darin stellt Midge Ure die Fragen aller Fragen: Wer macht das so? Wörtlich: Who designed this world? Ich finde: Ein klug gewähltes Wort. Nicht „who created this World“, also „wer erschuf diese Welt so“. Das wäre ein Hinweis auf Gott, den Schöpfer. Nein: „Who designed this world“, also „Wer gestaltete diese Welt?“

Wir sind verantwortlich für Armut und Hunger in der Welt

Midge Ure will den Zustand der Welt nicht auf eine höhere Gewalt abschieben. Und das finde ich auch richtig. Denn der Hunger und der Überfluss haben schon viel mit der Menschheit zu tun: Wie und wo wir produzieren, wie wir die Waren transportieren und was wir kaufen. Was wir essen und was wir wegwerfen.

"Es gibt viele Mechanismen, die den westlichen Wohlstand schützen"

Warum exportiert Afrika auch in Zeiten schlimmer Hungersnöte Lebensmittel nach Europa? Weil die Europäer besser zahlen. Die Armen können da nicht mithalten, ihnen bleibt der Hunger. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt viele Mechanismen, die den westlichen Wohlstand schützen und die Armut woanders halten. Wer ist dafür verantwortlich? Das fragt Midge Ure in seinem Song:

Musik

Man könnte meinen, dass es nur wenige sind, die den Rest von uns dazu bringen, sich zu fügen. Wer hat die Welt gestaltet, in der wir leben?

Passende Ausflücht gibt es viele

Viele wissen, wie es um die Welt steht. Aber sie erleben sich als hilflos. Oder sie schrecken vor den Konsequenzen zurück. Passende Ausflüchte sind zur Hand:
„Alleine kann ich sowieso nichts ausrichten.“
„Den Hilfsorganisationen kann man nicht trauen.“
„Die Politiker müssen das ändern.“
„Die korrupten Wirtschaftseliten in den armen Ländern sind schuld.“
„Die Armen sind selber schuld!“

"Jede und jeder ist ein Teil des großen Ganzen"

Sind also nur wenige schuld? Und man selbst gehört nicht dazu? Das denkt man gerne. Und in gewisser Weise stimmt es ja auch: Alle, selbst die Mächtigen und Reichen, sind jeweils nur ein kleiner Teil der Welt und sie erleben sich als machtlos gegen Hunger und Klimawandel. Zugleich stimmt aber auch: Jede und jeder ist ein Teil des großen Ganzen. Und damit kann jede und jeder auch etwas tun.

Nachhaltig einkaufen würde helfen

Es beginnt beim Einkaufen. Wer für wenige Euro ein T-Shirt oder eine Kinderhose kauft, weiß genau: Davon kommt zu wenig Geld bei denen an, die es hergestellt haben. Wer für ganz kleines Geld Fleisch kauft, weiß genau: Von dem Geld können die Landwirte die Tiere nicht artgerecht halten. Und wer etwas kauft, das man gar nicht wirklich braucht, weiß instinktiv: Damit fehlt dort etwas, wo es gebraucht wird. Es sind also nicht wenige, die die Welt so gestalten, wie sie ist, sondern viele. In gewisser Weise alle. Für sie weiß Midge Ure einen Ausweg aus der gefühlten Hilflosigkeit: Die Lebenslust des Helfens.

Musik

Hand in Hand. Der Welt eine helfende Hand geben. Sie ist dabei, um uns herum zu fallen.

„Der Welt eine helfende Hand geben"

Eine Hand greift nach der Hand eines anderen. Sie fühlt sich warm an oder kalt, kräftig oder schwach. Jedenfalls geformt vom Leben. Plötzlich ist der andere nicht mehr fern, sondern zum Greifen nah. Man weiß nicht nur, es ist ein Mensch wie ich, sondern man fühlt es mit den eigenen Fingern. Auch wenn das in Corona-Zeiten nur symbolisch gelebt werden kann: Hand in Hand – das ist ein starkes Gefühl. Die Hand bedeutet Hilfe: Wer stürzt, greift gerne nach einer Hand, die ihm hilfreich entgegenkommt. Sie hilft einem wieder auf die Beine. Dieses Bild hat Midge Ure vor Augen, wenn er singt: „Der Welt eine helfende Hand geben. Sie ist dabei um uns herum zu fallen.“ Ein starkes und schönes Bild.

Drei einfache Dinge, die helfen

Aber was heißt das praktisch? Drei ganz einfache Dinge:
1. Hinschauen, statt wegschauen.
2. Etwas tun wollen, statt mit den Achseln zu zucken.
3. Die eigenen Chancen zum Handeln nutzen, statt es sich bequem zu machen.

Es gibt viele Möglichkeiten zu Handeln

Möglichkeiten gibt es viele: Bei jedem Einkauf macht man mit. Man kauft Waren, die billig erzeugt wurden oder fair und ökologisch sinnvoll. Man kann auch andere auf diese Dinge ansprechen. Man kann Briefe schreiben an seine Abgeordneten, an Verantwortliche in Wirtschaft und Politik. Damit sie merken, dass einem diese Dinge am Herzen liegen. Das wirkt auf Dauer.

Helfen als Lebenslust

Man kann Menschen in der Nähe praktisch helfen, wie es ja auch viele tun. Sei es bei einer Tafel und oder durch ehrenamtliche Deutsch-Nachhilfe im Stadtteil. Schließlich kann man seine Hände auch in den Schoß legen – und zwar zum Beten. Auch das hilft, denn es ist ein Stück Solidarität und Nächstenliebe. Es zahlt ein auf die Hoffnung für eine bessere Welt. Wer so empfindet und handelt, merkt: Helfen ist schön. Ja: Helfen macht einen nicht ärmer, sondern reicher. Es macht Freude, anderen ein besseres Leben zu ermöglichen.

Nächstenliebe ist Lebenslust pur

Wer an Gott glaubt, fühlt sich darüber hinaus als Werkzeug Gottes. Respekt und Mitgefühl - das sind Vorahnungen des Himmels. Christen sagen dazu Nächstenliebe. Sie ist Lebenslust pur.

Ob man damit aus der Welt schon den Himmel machen kann, wie es Midge Ure singt? Ich befürchte: Das überfordert die Menschheit ein wenig. Aber das wird sich zeigen. Wichtig ist: Ich trage dazu, dass die Richtung schon mal stimmt:

Musik

Hilf mit, diese Welt von der Hölle zum Himmel zu wenden.

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