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Himmlische Musik
Bild: Myriams-Fotos/Pixabay

Himmlische Musik

Maike Westhelle
Ein Beitrag von Maike Westhelle, Evangelische Pfarrerin, Studienleiterin, Hofgeismar
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Nachts um vier Uhr ruft das Krankenhaus an. Der Schwiegervater liegt im Sterben. Wenn wir uns verabschieden möchten, sollen wir bald kommen.

Ein unpassender Spruch für diesen Tag

Wie jeden Tag schaue ich am Morgen ins Losungsbüchlein: "Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewig" (Psalm 106,1). Das ist der biblische Spruch für den Tag, den ich jetzt gerade gar nicht passend finde. Was für eine furchtbare Nachricht!

Das erste Sterben, das wir begleiten

Vier Stunden später sind wir in Heilbronn. Gott sei Dank: Er lebt noch. Jetzt sind wir alle da – die Kinder und Schwiegerkinder. Was macht man eigentlich in so einer Situation? Für alle ist es das erste Sterben, das wir begleiten. Auch als Pfarrerin war ich bisher immer nur kurz davor oder kurz danach zur Aussegnung dabei.

Abwechselnd sitzen wir am Bett von Friedhelm. Halten die Hand, erzählen Geschichten aus dem gemeinsamen Leben. Vielleicht eher für uns als für den Sterbenden, der sowieso so schlecht hören kann.

"Wie wäre es mit Jazz? Das hat er doch so geliebt…"

"Vielleicht könnten wir etwas singen", schlägt der Sohn vor. Aber nach Singen ist niemandem zumute. "Wie wäre es mit Jazz? Das hat er doch so geliebt…" Und kurze Zeit später klingen Saxofon und Bass aus dem Handy. Schön laut, damit es der Vater auch wirklich hört.

Es ist bedrückend und tröstlich zugleich. Das abgedunkelte Zimmer der Intensivstation, die Schläuche und die beschwingte Musik.

Ein friedlicher Abschied

Friedhelm schlägt die Augen noch einmal auf. Es wirkt so, als suche er nach der Band, die er hört. Und dann wird das Herz immer langsamer. Bis es zum Trompetensolo ganz aufhört zu schlagen. So leicht ist der Tod jetzt gekommen. Und obwohl wir alle sehr traurig sind, ist es auch schön. Der Vater hatte seine Liebsten nochmal versammelt und die Musik scheint ihn beruhigt zu haben.

Wechsel vom Jazz im Krankenhaus zu den himmlischen Chören

Ich stelle mir vor, dass Friedhelm direkt vom Jazz im Krankenzimmer zu den himmlischen Chören und Posaunen hinüberwechselt. "Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewig." Ja, am Ende des Tages bin ich sehr dankbar dafür, wie friedlich und freundlich der Abschied war.

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