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Gott ist ein Ort
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Gott ist ein Ort

Ein Beitrag von Janine Knoop-Bauer, Evangelische Pfarrerin, Darmstadt

„Gott ist ein Ort.“ Als ich das zum ersten Mal gehört habe, dachte ich: Da hat sich wohl jemand versprochen. Müsste es nicht eher heißen: Gott hat einen Ort oder Gott ist an einem Ort? Aber es war kein Versprecher. Es war schon so gemeint: Gott ist ein Ort.

Diese Vorstellung: Gott ist ein Ort, stammt aus der jüdischen Tradition. Da ist „Ha- Maqom“ einer der Namen Gottes. Ha-Maqom, das heißt: Ein anderer Ort. Mehr als fünfhundert Jahre vor Christus wurde der Tempel in Jerusalem von den Babyloniern zerstört. Und die Menschen fragten sich: Wo ist Gott nun? Gottes Wohnung war unbewohnbar geworden. Gott hatte seinen Ort verloren. Und auch die Menschen, die an Gott glaubten, mussten fliehen. Sie verloren ihre Heimat und mussten ins Exil nach Babylon. In dieser verzweifelten Lage wurde für sie Gott selbst zu einem Ort. Einem Ort an dem sie sich sicher und geborgen fühlten. Einem Ort, an dem sie Raum hatten für ihre Gefühle. Für die Angst und die Verzweiflung, die Trauer und auch die Klage.

Ich kann die Sehnsucht nach einem solchen Ort gut verstehen. Die Dichterin Ingeborg Bachmann sprach einmal von der „Obdachlosigkeit des Gefühls“. Sie meinte: Menschen brauchen einen Ort für ihr Gefühl, weil sie manchmal mehr fühlen als sie aushalten können. Dann, wenn sie von ihren Gefühlen überwältigt werden. Das kann in Freud und Leid passieren. Besonders deutlich wird das für mich nach schlimmen Katastrophen.

Nach den Attentaten in Paris und Berlin, Manchaster, London – überall auf der Welt. Da legten Menschen am Ort des Geschehens Blumen nieder. Sie zündeten Kerzen an, hängten Briefe auf und Fotos. Sie schafften sich einen Ort für ihr Gefühl. Einen Ort, an dem sie gemeinsam trauern und weinen konnten. Und die Last so ein wenig leichter wurde.

Menschen brauchen geschützte Orte für ihre Gefühle. Für mich ist auch die Kirche ein solcher Ort. Ein Ort an dem ich Gott nahe sein kann und das was mich alleine überwältigen würde, leichter wird. Aber nicht immer ist ein solcher Ort zugänglich in dem Moment, in dem ich ihn brauche. Da hilft mir die Vorstellung: Gott ist ein Ort. Mich begleitet dieser Satz seit ich ihn zum ersten Mal gehört habe. Ich finde den Gedanken tröstlich: Gott schafft sich selbst Raum in der Welt. Für mich heißt das: Auch wenn ich keinen Ort finde für mein Gefühl. Auch wenn die Welt manchmal so wirkt, als ob es keinen Platz darin gebe für Gott. Auch dann ist es möglich Gott nahe zu sein. Denn Gott bringt seinen Ort selber mit.

Sein Name genügt: Ha-Maqom. Und im Namen ist der Raum schon mitgedacht. Jeder Ort an dem ich Gottes Namen ausspreche kann zum Gottesraum werden. Einem Ort, an dem ich meine Gefühle vor Gott bringen kann. Einem Ort, an dem ich sicher und geborgen bin. Das gibt Kraft.

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