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Geschichten, die beatmen

Geschichten, die beatmen

Alexandra Becker
Ein Beitrag von Alexandra Becker, Katholische Pastoralreferentin, Pfarrei St. Franziskus, Frankfurt
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Wenn meine Familie sich trifft, dann wird es meist laut. Wir lachen laut, wir erzählen laut – und wenn eine das Gefühl hat, nicht gehört zu werden, dann wird eben noch lauter geredet. Ich gebe zu, ich mag das. Ich freue mich schon jetzt aufs Wiedersehen an den Weihnachtsfeiertagen. Natürlich ist es nicht nur laut. Es hat auch jeder etwas zu sagen und zu erzählen, was die anderen noch nicht wissen. Oder es wird diskutiert: über Umweltfragen, Politik und seit einigen Jahren auch über Kindererziehung. Und dann gibt es Geschichten, die schon alle kennen und die trotzdem wieder und wieder erzählt werden. Geschichten davon, was wir als Familie gemeinsam erlebt haben: unseren ersten Flug z.B., bei dem so einiges schief ging. Oder Geschichten davon, wie wir etwas durchgestanden haben. Das sind oft Geschichten von Krankheit oder vom Sterben. Oder eben Geschichten von denen, die schon nicht mehr leben. Diese Geschichten sind mir fast am liebsten. Weil sie Erinnerungen wachhalten, die ich nicht vergessen möchte. Wie oft schon haben wir uns vorgenommen, wenigstens einige der Geschichten aufzuschreiben. Damit sie auch weiterhin erzählt werden können.

Erzähler, so hat Günter Grass einmal gesagt, sind Menschen, die uns von Mund zu Ohr beatmen. Dieses Bild gefällt mir. Geschichten sind dann so etwas wie der Atem, wie die Luft, die wir zum Leben brauchen. Aus Geschichten, vor allem auch aus Familiengeschichten kann ich etwas lernen für die Zukunft: Für mein Leben. Bei den Geschichten aus der Bibel geht es mir auch so. Das sind für mich Geschichten, die wie der Atem zum Leben sind.

Die sogenannte Verkündigung zum Beispiel. Der Engel Gabriel kommt zu einer jungen Frau. Er kennt ihren Namen: Sie heißt Maria. Er sagt ihr, dass sie für Gott wichtig ist und dass Gott etwas mit ihr vorhat. Sie soll die Muttergottes sein: Die Frau, die Gottes Sohn zur Welt bringen soll. Und Maria, so steht es zumindest geschrieben, überlegt nicht lange. Sie sagt „Ja“. Für mich ist das eine Geschichte, die ich wirklich immer wieder gerne höre. Und dann überlege ich: was könnte Gott denn von mir wollen? Wie begegnet er mir? Zu was sage ich „Ja“? Antworten finde ich übrigens in anderen Bibelgeschichten. Aber auch in alten Familiengeschichten und in vielen anderen persönlichen Geschichten, die mein Leben schreibt. Geschichten, die mir Atem geben und Leben.

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