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Die Generationsbrücke
GettyImages/Mladen Zivkovic

Die Generationsbrücke

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim
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Es ist Donnerstag, 10 Uhr morgens im Marienheim, einem Altenheim  in Aachen. Im großen Saal  sitzen zehn alte Menschen. Susanne Schmitz öffnet die Tür. Und da kommen sie herein, die zehn Kinder aus dem benachbarten Kindergarten. Wie immer einmal im Monat. Sie freuen sich, laufen in den Saal und halten Ausschau nach den Bewohnern. Ben ist fünf Jahre alt. Er entdeckt Frau Riemer. Sie ist müde. Ihr Kopf ist auf die Brust gesunken. Ben berührt mit den Fingerspitzen die Hände von Frau Riemer. Sie wacht auf und lächelt. Ein glücklicher Moment für beide. Bald darauf singen alle gemeinsam ein Begrüßungslied und spielen mit Luftballons.

Die Kinder und die Alten sind Teil der sogenannten „Generationsbrücke“, einem Sozialprojekt, das Generationen verbindet. Susanne Schmitz gehört zu denen, die dieses Projekt koordinieren. Kinder aus Kindergärten und Schulen besuchen in einem festen Rhythmus alte Menschen in Altenheimen. Jedes Kind hat einen festen Partner und damit jeder alte Mensch auch.

Vor zehn Jahren wurde die Idee in Aachen in die Tat umgesetzt, inzwischen gibt es ein buntes Buch über die Erfolgsgeschichte der Generationsbrücke. (Rocco Thiede, Die Generationsbrücke. Wie das Miteinander von Alt und Jung gelingt, Herder-Verlag 2016.) Und sie hat Schule gemacht: Mittlerweile gibt es ähnliche Projekte in über 150 Einrichtungen in fünf Bundesländern.

Beide Seiten gewinnen, die Senioren und die Kinder. Susanne Schmitz erzählt: „Unser Ziel ist, dass die Kinder und die alten Menschen Glücksmomente erleben.“ Frau Riemer? Sie wird beim Spielen, Malen und Basteln durch den quirligen Ben  angeregt, oft vergessene Fähigkeiten wieder zu entdecken. 

Und Ben profitiert von der Lebenserfahrung seiner Partnerin, weil sie ihm von früher erzählt. Und er nimmt Rücksicht, wenn er merkt, dass sie eine Pause braucht. Ganz praktisch lernen er und die anderen Kinder Mitmenschlichkeit und Toleranz.

Gemeinsam eine schöne Zeit verbringen, voneinander lernen, Spaß haben: Das ist das Wichtigste bei der Generationsbrücke. Manchmal aber verlieren Kinder ihren Bewohnerpartner durch den Tod. Susanne Schmitz sagt: „Die Kinder lernen auch: Der Tod gehört zum Leben.“

Sie erinnert sich an Sara. Als Vorschulkind hatte sie eine starke Beziehung zum Bewohner Herrn Thielemann. Als er stirbt, bekommt sie einen handschriftlichen Brief mit einem Foto. So wie alle Kinder, die ihren Bezugspartner verloren haben. In dem Brief steht:  „Wir sind sehr traurig über den Tod von Herrn Thielemann. Leider können wir den Tod nicht verhindern, aber wir können das Leben mit Freude gestalten. Und dabei hast du, liebe Sara, die letzten Monate sehr viel Freude bereitet. Danke schön!“

Das versteht Sara. Und klebt eine Papierblume, die sie zusammen mit Herrn Thielemann gebastelt hat, ins Trauerbuch, das im Altenheim ausgelegen hat. Sara ging dann sogar mit zur Beerdigung. Zusammen mit ihrer Mutter.

Weil uns die Generationsbrücke so beeindruckt hat, wollen wir das in unserer Kirchengemeinde auch machen. Bei uns gibt es zwei Kindergärten. Wir möchten jetzt unsere Beziehungen zu einem Altenpflegeheim in unserer Nähe ausbauen. Zwei Erzieherinnen aus den Kindergärten  und zwei Pflegekräfte aus dem Altenheim haben schon an einer Fortbildung teilgenommen. Damit’s auch bei uns ganz besondere Glücksmomente gibt.

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