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Sich erinnern - das Geheimnis der Dankbarkeit
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Sich erinnern - das Geheimnis der Dankbarkeit

Thomas Drumm
Ein Beitrag von Thomas Drumm, Evangelischer Pfarrer, Leiter der Akademiker-SMD, Marburg

Wenn ich an meine Oma denke, sehe ich eine zufriedene und lebensfrohe Frau vor mir. Sie hat das Leben bejaht und konnte es genießen bis ins hohe Alter. Und das hat ausgestrahlt. Ich habe sie oft und gerne besucht. In ihrer Nähe habe ich mich wohl gefühlt. Dabei war ihr das Glück nicht in die Wiege gelegt. Erst der Krieg. Dann die Flucht aus der Heimat. Der frühe Tod ihres Mannes. Krankheiten. Und auch bei ihren Kin-dern lief nicht alles rund. Es gab Zeiten, da hat ihr das Leben hart zugesetzt.

Und dennoch ist sie darüber nicht bitter geworden. Das hat mich schon als Kind beeindruckt. Und ich habe sie einmal gefragt, als ich ein bisschen älter war: Oma, du hast immer ein gutes Wort. Wie kommt es, dass du so vergnügt bist? Sie hat geantwortet: Jeden Morgen beim Aufstehen überlege ich mir, wofür ich dankbar sein kann. Und jeden Abend vor dem Einschlafen danke ich Gott für den Tag.

Und wenn mir tagsüber trübe Gedanken kommen, betrachte ich die Fotos auf dem Küchentisch. Da steht ihr alle nebeneinander aufgereiht: meine Eltern, der Opa, die Kinder und auch ihr Enkel. Wenn ich euch anschaue, wird mir bewusst: Ich bin reich beschenkt. So hat das meine Oma gesagt, und ich habe gelernt: Dankbarkeit ist weniger eine Sache des Gefühls als vielmehr eine Entscheidung: Ich will das Gute bewusst wahrnehmen. Ich will mich immer wieder daran erinnern lassen, damit ich es nicht vergesse. In den Liedern der Bibel, den Psalmen, heißt das so: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“.

Damit sie nicht vergisst, hat meine Oma die stillen Momente am Tag gebraucht und auch die Fotos auf dem Küchentisch. Das war ihr Geheimnis. Und das hat sie zu einer dankbaren und lebensfrohen Frau gemacht.

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