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Samariter

Samariter

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

Schon von weitem habe ich den kleinen Jungen mit seinem Fahrrad gesehen. Dahinter die Mutter mit einem Kinderwagen. Die beiden waren gerade dabei, von der Straße am Main runter zum Ufer zu fahren, zu dem Weg ganz nah am Fluss. Der Abstand zwischen Mutter und Sohn wurde immer größer. Und ich dachte: Der wird doch nicht? Oh weh, hoffentlich … Und wenn doch? Ich kam näher. Da hörte ich die Mutter rufen: „Du musst bremsen, du musst bremsen!“
Aber der Junge hörte nicht. Er trat mächtig in die Pedale und schoss dann auf der Rampe wie ein Blitz auf den Main zu.

Ich weiß nicht, ob er versucht hat zu bremsen. Wahrscheinlich war es gut, dass es ihm schlussendlich nicht gelang. Denn er hätte sich bestimmt dann schwer überschlagen. So aber raste er mit Affenzahn mit seinem Rädchen direkt in den Main. Platsch! Die Mutter blieb wie angewurzelt stehen. Noch nicht einmal schreien konnte sie. Aus der anderen Richtung hatte ein Jogger alles mit angesehen. Er verlangsamte kurz sein Tempo, sah was passiert, blieb fast stehen und setzte dann zum Sprint an. Im Laufen warf er noch seinen mp3-Player von sich und sprang mit einem großen Satz kopfüber in den Main hinterher. Er schnappte den zappelnden Jungen am Kragen und schwamm mit ihm zum Ufer.

Mittlerweile waren viele Leute stehen geblieben. Sie halfen mit, die beiden zum Uferweg hochzuziehen. Die Mutter weinte. Die Leute jubelten. Das Fahrrad war weg. Der mp3 Player kaputt. Ich habe vor Staunen den Mund nicht mehr zugekriegt. Ganz selbstverständlich hat der Jogger den Jungen gerettet. Ohne Zögern ist er einfach in den Fluss gesprungen. Hinterher hat die Mutter ihm die Hände geschüttelt. Dann hat er sich das Wasser aus dem Gesicht gewischt und ist weitergelaufen.

Mir hat das imponiert. Der Jogger wollte nichts für seine gute Tat. Noch nicht mal einen neuen mp3 Player. Auch keine öffentliche Aufmerksamkeit für sein vorbildliches Verhalten. Ich war glücklich. Für einen Augenblick war die ganze Welt in Ordnung. Gott sei Dank gibt es unter uns barmherzige Samariter, schnelle und geistesgegenwärtige Retter, mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Menschen, die nicht fragen: „Was geht mich das an?“ oder denken: „Selbst schuld! Hilf dir selber!“ Sondern Leute, die einen Blick für andere haben und sich tapfer für sie einsetzen.

Zum Glück fällt ja nicht jeden Tag einer in den Main. Aber es passiert jeden Tag etwas, wo es gute Samariter braucht. Nicht nur einen. Jesus verspricht solchen Menschen das Himmelreich. Er sagt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Lk 10,25-37; Mt 25,40)

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