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Rumpelstilzchen, psychologisch gedeutet
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Rumpelstilzchen, psychologisch gedeutet

Ute Klewitz
Ein Beitrag von Ute Klewitz, Pastoralreferentin, Mentorin für Lehramtsstudierende mit dem Fach Katholische Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz
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„Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß“, so singt in dem Märchen „Rumpelstilzchen“ ein kleines, koboldartiges Männchen. Damals als ich noch klein war, saßen meine Schwester und ich auf der Küchenbank ganz dicht an der Heizung, und unsere Oma hat uns Märchen vorgelesen. Oh, wie habe ich das geliebt. Und ganz besonders Rumpelstilzchen. Ja, hab ich gedacht, hier beim Singen verrät er seinen Namen: Rumpelstilzchen. Und die Müllerstochter ist gerettet. Was musste dieses Mädchen im Märchen durchmachen. Ein angeberischer Vater und ein geldgieriger König setzen sie unter Druck, Stroh zu Gold zu spinnen. Weil sie das tut, behält sie ihr Leben, und der König heiratet sie sogar. Ein bedrohlicher Kobold hilft ihr dabei, diese schwierige Aufgabe zu bewältigen. Aber zu welchem Preis: Gold und das Leben ihres ersten Kindes gehen an diesen Kobold. Und dieser ist sich seiner Sache so sicher, dass sie ihr Kind behalten darf, wenn sie seinen Namen errät.

Aus den Abhängigkeiten zu lösen

Mir gefällt eine psychologische Deutung dieses Märchens vom Rumpelstilzchen besonders: Ein junges Mädchen entwickelt ihre Persönlichkeit. Der Vater und der König verkörpern die männlichen Persönlichkeitsanteile. Beide wirken ziemlich egoistisch und an Geld interessiert. Auf ihrem Weg zur erwachsenen Frau lernt das Mädchen, diese männlichen Anteile wie Ichstärke und Leistung, in ihr eigenes Ich zu integrieren. So kann sie sich aus den Abhängigkeiten von Vater und Ehemann lösen. Aber auch die weiblichen Anteile wollen entwickelt werden. Hier im Märchen steht das Kind steht für das Reifen vom Mädchen zur Mutter. Die Müllerstochter nimmt ihre Rolle als Mutter an, als sie den bedrohlichen Kobold bei seinem Namen ruft: Rumpelstilzchen. Auch in vielen Jesusgeschichten stecken solche menschlichen Entwicklungsgeschichten. Bedrohungen und Krankheiten werden bei ihrem Namen genannt. In all diesen Geschichten ist vieles, was mir auch im ganz realen Leben helfen kann: es geht darum, bestimmte Anteile in mir weiterzuentwickeln. Und mich von anderen zu befreien. Indem ich sie beim Namen nenne, eben Rumpelstilzchen.

 

 

 

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