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Hört mich jemand?
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Hört mich jemand?

Prof. Dr. Markus Tomberg
Ein Beitrag von Prof. Dr. Markus Tomberg, Professor für katholische Religionspädagogik, Fulda und Marburg
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Diese Frage kann man nur mit „Ja“ beantworten: Hört mich jemand? Die Lust aber, „Nein“ zu sagen, ist groß. Und jenseits des Kalauers zeigt sich ihr Ernst: Wer hört, wer nimmt wahr, was ich zu sagen habe? Wessen Stimme hat Ihr Ohr und Ihre Aufmerksamkeit?
Lange konnten die Kirchen in Deutschland davon ausgehen, gehört zu werden. Das Wort eines, gar mehrerer Bischöfe, es hatte Gewicht. Es konnte politische Debatten beeinflussen oder gesellschaftliche Diskurse anstoßen. Das hat sich geändert. Der Relevanzverlust kirchlicher Äußerungen auch zu politischen und ethischen Themen ist mit Händen zu greifen. Von den innerkirchlichen Themen ganz zu schweigen.

Längst ist Kirche kein gesellschaftliches Modell mehr. Das sollte sie nämlich einmal sein: als societas perfecta, als vollkommene Gesellschaftsform, so hatte sie sich einst inszeniert. Die Aufdeckung von Machtmissbrauch auf verschiedenen Ebenen zeigt: Diese Vorstellung ist schlicht unrealistisch.
Doch Mentalitäten und Gewohnheiten ändern sich nur langsam. Papst Franziskus und etliche Bischöfe versuchen, Änderungen anzustoßen. Die Widerstände sind stark. Die Vorstellung von einer Kirche, die allen Menschen, Gläubigen wie Ungläubigen, sagt und erklärt, wie das richtige Leben gehen könnte, zu prägend.
Überhaupt könnte der Wandel längst zu spät kommen. Vielleicht ist es für die Kirchen längst zu spät. Kaum jemand hört, ja: kaum jemand vermisst sie.

Womöglich steht da ein ungeheurerer Paradigmenwechsel an. Aus der lehrenden, ja sogar bevormundenden Kirche muss selbst wieder eine hörende Kirche werden. Eine, die aufmerksam hin- und tatsächlich zuhört. Eine, die weniger um Aufmerksamkeit buhlt als Aufmerksamkeit schenkt. Eine, die auf diese Weise vielleicht viel besser zeigt, für welchen Gott sie steht. Denn von dem weiß die Bibel: Er hört hin, er hört zu. Und zeigt gerade darin, dass er Gott ist (vgl. z.B. Ps 116). Eine Kirche, die zuhört – sie sagt ja, wenn jemand fragt: Ist da jemand, der mich hört?

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