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Gebetstag für die Opfer des sexuellen Missbrauchs

Gebetstag für die Opfer des sexuellen Missbrauchs

Dr. Barbara Brüning
Ein Beitrag von Dr. Barbara Brüning, Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt
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Heute begeht die katholische Kirche in Deutschland den „Gebetstag für die Opfer des sexuellen Missbrauchs“. Die Kirche ruft dazu auf, mit den Opfern solidarisch zu sein. Ich finde es ganz furchtbar, was da Menschen durch Verantwortliche der Kirche angetan wurde. Und es berührt mich, dass viele Betroffene über Jahrzehnte darüber nicht sprechen konnten. Einer der Gründe dafür, so erzählen es die Betroffenen, ist die Scham. Und die begründete Angst, nicht ernst genommen zu werden.

Scham ist ein sehr mächtiges und zerstörerisches Gefühl. Die amerikanische Psychologin Brené Brown (https://brenebrown.com) hat sehr viel über Scham geforscht und geschrieben. Wer sich schämt, möchte im Erdboden versinken. Und auf keinen Fall darüber sprechen.

Dabei ist es genau das, was hilft: das „Darübersprechen“. Das sagt die Forschung auch. Denn dann zeigt sich schnell, dass man nicht allein ist. Es entsteht Solidarität. Und die heilt.

„Ich hab’ lange geglaubt, ich wär’ die Einzige, der das passiert ist“, hat eines der Opfer des Missbrauchs gesagt. Dabei waren und sind es so viele, denen Ähnliches passiert ist.

Ich war mit 15 in einem Kurs für Autogenes Training. Der siebzigjähre Lehrer hat mich sexuell berührt und mir ins Ohr geflüstert, ich solle nach dem Unterricht auf ihn warten. Ich bin nie wieder hingegangen. Das ging ohne Probleme. Meine Mutter, der ich das erzählt habe, hat gesagt: „Mir ist sowas auch schon passiert.“ Das hat mir damals sehr gut getan. Und es hat mich wachsam gemacht. Aber ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen, das anzuzeigen, oder mit anderen darüber zu sprechen. Allein genau zu beschreiben, was er getan hat … da hätte ich mich geschämt.

Missbrauch auch in seinen Vorstufen und weniger krassen Formen ist allgegenwärtig. Darüber zu sprechen: Nicht nur über die jahrelangen schweigenden und lebensbedrohlichen Missbrauchsfälle, sondern auch über die vielen einmaligen oder „beinahe“ Fälle, bringt wirkliche Solidarität zum Ausdruck. 

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