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Es kommt immer anders als man denkt
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Es kommt immer anders als man denkt

Irmela Büttner
Ein Beitrag von Irmela Büttner, Evangelische Pfarrerin, Offenbach-Bieber

„Es kommt immer anders als man denkt“. Das ist für mich meistens eine schlechte Nachricht. Ich bin so ein Mensch, ich muss immer alles planen. Nur nichts dem Zufall überlassen. Wenn ich einen Tag beginne, dann habe ich eine Liste von Dingen im Kopf, und die arbeite ich nach und nach ab. Und ich weiß genau, worauf ich mich freue und was garantiert nicht so toll wird.

Zum Beispiel weiß ich, ob mir der Text für eine Andacht im Altenkreis gut gelungen ist oder nicht, oder ob ich die biblische Geschichte im Kindergarten gut vorbereitet habe, oder eben nicht. Mit den Gottesdiensten am Sonntag ist das ähnlich. Meistens habe ich über die Woche hinweg den Gottesdienst geplant, die Lieder ausgesucht, die Gebete geschrieben und natürlich an der Predigt gearbeitet. Ich weiß also genau, was am Sonntag in der Kirche passieren wird – denke ich zumindest. Und dann kommt es plötzlich alles ganz anders. Das bringt mich dann immer raus, positiv oder negativ.

Vielleicht kennen Sie das ja. Da haben Sie sich auf etwas so richtig gefreut und dann passiert etwas Unerwartetes: Auf der Arbeit kommt ein wichtiger Termin rein und auf einmal sind Sie abgelenkt und mit Ihren Gedanken ganz woanders. Oder etwas verdirbt Ihnen die Laune: Ein Streit in der Familie, mit dem Ehepartner oder den Kindern, irgendetwas Kleines und schon läuft es nicht mehr so gut.

Manchmal passiert aber auch etwas richtig Tolles, vollkommen unerwartet. Da ist zum Beispiel dieses Treffen mit den Kollegen. Das Verhältnis in der Gruppe ist gerade eher angespannt, die Situation im Projekt eher deprimierend. Dann entsteht aber auf einmal eine positive Atmosphäre, jemand hat eine gute Idee und auf einmal merken alle: Da ist ja noch etwas möglich.

Oder dieses Treffen mit der Freundin am Nachmittag. Irgendwie stimmt gerade etwas nicht. So richtig freuen Sie sich nicht darauf. Doch auf einmal fällt das Reden ganz leicht, auch die schwierigen Punkte können ausgesprochen werden. Erleichtert gehen Sie am Abend nach Hause.

Es passiert oft, dass etwas anders kommt. Manchmal besser und manchmal schlechter, auf jeden Fall kommt es oft anders.

„Es kommt immer anders als man denkt.“ Das heißt: Ich habe es nicht in der Hand. Für mich als Planungsmensch, der gerne immer alles unter Kontrolle hat, ist das nicht leicht. Auf der anderen Seite weiß ich als Christin: Dass wir nicht alles in der Hand haben ist auch gut so. Natürlich wäre es schön, wenn immer alles klappen würde, wenn alles planbar und durchführbar wäre, aber ganz ehrlich: Was wäre daran noch spannend?

Wäre es zum Beispiel noch schön auf eine Wanderung zu gehen, wenn ich doch den Weg in- und auswendig kenne und alles immer gleich aussähe? Manchmal muss man Umwege gehen, weil ein Baumstamm im Weg liegt oder ein Bach über die Ufer getreten ist. Dann sieht man zum Beispiel eine Blumenwiese, die man sonst nie gesehen hätte oder entdeckt einen lauschigen Weg durch ein anderes Tal.

Auch bei manchen Ideen, die man so hat, ist es ganz gut, dass es anders kommt als gedacht. Aus Fehlern kann man lernen. Fehler sind sogar die größte Lernquelle für Menschen. Zum Beispiel in der Wissenschaft: Viele wichtige Erkenntnisse würde es gar nicht geben, wenn nicht vorher etwas schief gegangen wäre.

Wussten Sie zum Beispiel, wie es kam, dass der französische Ingenieur Georges de Mestral den Klettverschluss erfand? Er ging gerne mit seinen Hunden im Wald spazieren, nur eines stört ihn dabei: Dass sich die Kletten regelmäßig im Fell seiner Hunde verfingen und dort hängen blieben. Jedes Mal musste er sie mühsam wieder entfernen. Da entdeckte der, dass diese Pflanzen kleine Haken ausbilden, die sich wunderbar festkrallen können, zum Beispiel im Fell von Hunden. Diese Struktur bildete de Mestral mit Kunstfasern nach und ließ sie sich patentieren. Wären die Kletten am Wegesrand nicht gewesen, er wäre nie auf diese Idee gekommen.

Natürlich stellt sich manchmal die Frage: Was ist das Ziel von allem? Der Sinn? Wenn alles immer anders kommt als man denkt, was können wir denn dann eigentlich noch wirklich wissen? Als Christin glaube ich: Gott hat die Welt geschaffen und er wird sie auch erhalten. Niemand weiß, was Gott denkt, warum er etwas macht und anderes nicht. Aber ich habe ein tiefes Vertrauen, darin dass Gott einen Plan hat und dass alles gut wird. Dieses Vertrauen hilft mir, wenn mal wieder etwas anders kommt, als ich gedacht habe.

Gerade mir als Planerin hilft das: Ich kann das Gute aus Gottes Hand nehmen und dankbar sein für die unverhofften Glücksmomente, die mir ein Tag schenkt. Auch für das Neue, das, was ich sonst vielleicht nie kennengelernt hätte.

Dieses Vertrauen auf Gott hilft mir aber auch, wenn etwas nicht ganz so geklappt hat, wie ich mir das vorgestellt habe. Auch wenn sich das im ersten Moment vielleicht nicht so gut anfühlt, ich vertraue darauf, es wird einen Weg geben, wie ich damit fertig werde. Und wer weiß: Vielleicht wird ja auch noch etwas Gutes daraus, das ich mir jetzt noch gar nicht vorstellen kann.

Es kommt immer anders als man denkt. Menschen haben nicht alles in der Hand. Das bedeutet auch: Es lastet nicht alles auf unseren Schultern. Das ist eine echte Erleichterung. Menschen, die regelmäßig beten, verstehen das besonders gut. Ich habe das in einem Kloster gelernt: Wie man den Tag aus Gottes Hand nimmt als ein Geschenk. Und am Abend legt man ihn wieder in Gottes Hand zurück.

Heute Morgen zum Beispiel kann ich so beten: Danke, dass ich diesen Tag beginnen kann. Ich bin gespannt, was er bringt. Ich vertraue darauf: Gott, Du wirst mich durch diesen Tag leiten. Manches wird anders kommen, als ich denke, und vieles wird sein Gutes haben. So mein Gebet am Morgen.

Am Ende dieses Tages, vor dem Einschlafen, kann ich dann Gott, den Tag zurückgeben. Ich werde noch einmal alles Revue passieren lassen vor meinem inneren Auge. Alles, was ich erlebt habe. Hoffentlich ohne viel zu bewerten. Ich habe gelernt, etwas nicht gleich als gut oder schlecht abzutun. Das ist wie eine geistliche Übung aber manchmal gar nicht so leicht.

Vieles erscheint mir so gut, dann übersehe ich aber so wichtige Dinge. Da haben wir zum Beispiel ein schönes Fest in der Familie gefeiert, aber niemand hat gemerkt, dass es Oma Emmie an dem Tag gar nicht gut ging.

Vieles erscheint mir auch so schlecht und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es auch positive Folgen gibt. Da war zum Beispiel das eine Projekt auf der Arbeit, das wir begraben mussten. Das war frustrierend, weil wir da richtig viel Mühe reingesteckt hatten. Aber am nächsten Tag merke ich, dass da eine Last auf einmal weg ist, dass ich viel beschwingter zur Arbeit gehe und mich freue auf die nächsten Dinge, die wir vorhaben. Es läuft nicht immer alles perfekt und vieles entwickelt sich erst später.

Am Ende eines Tages gibt es oft beides: Ich bin froh über alles, was mich mit Freude erfüllt. Und ich sehe, wo ich noch Fragen habe, was ich noch nicht verstehe. Ich lege alles in Gottes Hand. Ich kann ja auch nichts mehr ändern. Gott nimmt das Schwere von meinen Schultern, die Last wird leichter.

Planungsmensch hin oder her: Natürlich wirft es mich aus der Bahn, wenn etwas anders kommt, als ich gedacht habe. Aber Gott sieht auch die Dinge, die ich noch gar nicht überblicken kann. Er schaut mich mit Liebe an, auch das, was ich nicht so gut schaffe. Das macht mich gelassen. So kann ich gut in diesen Tag starten und mich überraschen lassen, von dem, was da kommt.

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