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Der Buchstabe tötet

Der Buchstabe tötet

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Stanley Almodovar, 23 Jahre. Amanda Alvear, 25 Jahre. Eddie Justice, 30 Jahre. Akyra Monet Murray, 18 Jahre, Brenda Marquez-McCool, 49 Jahre. Das sind fünf Namen der Menschen, die der Attentäter von Orlando getötet hat.

Bei einem Gedenkgottesdienst in der Frankfurter Katharinenkirche wurden alle 49 Namen der Getöteten verlesen. Mit den Namen rücken die Opfer ganz nahe. Ihre Eltern haben damals, als sie geboren wurden, liebevoll überlegt, wie ihr Kind heißen soll. Beim Klang ihrer Namen bekommt man eine Ahnung, woher ihre Familien stammen. Ihr Alter schockiert: 18, 23, 49 Jahre. So jung oder ähnlich alt wie ich.

Getötet, weil sie schwul, lesbisch, bisexuell oder transgender waren. Unter den Opfern ist auch eine Mutter, die gern mit ihrem schwulen Sohn ausgegangen ist. Kann sein, dass der Mörder ein verrückter, fanatischer Einzeltäter war. Aber sein Hass gegen Homosexuelle kommt nicht aus dem Nichts. Im Judentum, Christentum und im Islam gibt es einzelne Bibelverse oder Suren, die Homosexualität verdammen.

Im Alten Testament steht: „Wenn ein Mann bei einem Mann liegt wie bei einer Frau, sollen beide des Todes sterben.“ (3. Mose 20,13) Im Neuen Testament wird das Gericht Gottes auf Schwule und Lesben herab beschworen (Römer 1,24 ff). Homosexualität ist im Koran eine schändliche Tat. In sieben islamischen Ländern steht die Todesstrafe darauf.

Wie geht man mit solchen Sätzen um? „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“, schreibt der Apostel Paulus in der Bibel (2. Korinther 3,6). Geist meint Vernunft. Geist meint Liebe zum Nächsten. So muss man heilige Schriften lesen. Fundamentalisten egal welcher Religion lesen ihre heiligen Schriften dumpf wortwörtlich. Damit tragen sie dazu bei, dass Fanatiker und Verrückte meinen, sie dürften im Namen Gottes töten.

Ich bin froh über das, was nach dem Attentat in Orlando spürbar war: Mitgefühl und Menschen, die dafür eintreten, dass jeder frei leben kann. Fundamentalisten und Terroristen hassen Mitgefühl und Freiheit. Umso mehr halten wir Mitgefühl und Freiheit hoch.

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