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Beten Sie?
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Beten Sie?

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Beten Sie? Auf diese Frage antwortet  der amerikanische Filmregisseur Martin Scorsese in einem Interview: „Wenn man das Wort beten hört, stellt man sich immer einen Menschen vor, der kniet, in den Himmel schaut und um etwas bittet. Das bin ich nicht. Ich erschaffe lieber etwas. Das ist meine Form des Gebets.“ Mir gefällt, was Scorsese sagt: Etwas schaffen als Gebet. Kreativität und Leistung statt knien und Hände falten. Für viele Kinogänger sind Martin Scorseses Filme ein Geschenk. Aber sind sie auch ein Gebet? Ich kenne Menschen, die ähnliches von sich sagen: Ich bin Gott dankbar für mein Leben bisher. Ich habe selbst oft Unterstützung und Solidarität erfahren. Nach meinen Kräften gebe ich davon etwas weiter. Ich unterstütze andere Menschen ehrenamtlich, weil ich etwas an die Gesellschaft zurückgeben möchte. Das ist wie ein Gottesdienst und wie ein Gebet.

Für mein Leben brauche ich beides, das tätige Beten und das stille Beten. Einfach so, mit gefalteten Händen, im Stillen, mit Worten oder schweigend. Beten durch kreative Leistung, das können andere sehen. Und Beten im Verborgenen, das ist nur für mich. Martin Scorsese hat eine ganz praktische Anleitung für diese Art des Betens. Er sagt: „Es geht eben nicht darum, sich einfach vorzunehmen, zu beten. Sondern um die Frage: Wie lebe ich den Glauben im Alltag? Wie gehe ich mit den Menschen um, die mir nah sind? Warum umgebe ich mich mit ihnen? Was bedeuten sie mir wirklich? Und wenn es nur noch wenige Menschen in meinem Leben gibt: Warum ist das so?“

Scorsese spricht mir aus der Seele. Kreatives Schaffen und Nachdenken über mein Schaffen im Alltag gehören zusammen. Beim Beten kommen mir nämlich all die Menschen in den Sinn, mit denen ich mich umgebe, die nahen und die Fernen. Und ich frage mich: was bedeuten sie für mich? Was bedeute ich für sie? Was tun wir einander an und was tun wir einander Gutes? Beten Sie? Ja, heute werde ich es tun.

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