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Beim Namen gerufen
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Beim Namen gerufen

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Wir hoffen immer, dass wir den Opfern die Namen zurückgeben können.“ Das sagt der Archäologe Wojciech Mazurek. Er war am Fund von Karolina Cohns Geburtsamulett im Vernichtungslager Sobibor beteiligt.

Einen Namen zu haben, das scheint selbstverständlich. Mein Name, das ist zunächst einmal das, was auf dem Klingelschild steht, unter „Kontakte“ im Handy, oder im Reisepass. Vom Geburtsregister bis zum Grabstein sichert mein Namen meine Unverwechselbarkeit als Person und das gehört zur Würde des Menschen. Dieser Würde sollte Karolina Cohns Familie beraubt werden: Entrechtet, verschleppt, die Namen durch Nummern ersetzt, ermordet, vergessen. Die vier neuen Stolpersteine im Frankfurter Straßenpflaster haben ihnen ihre Namen sichtbar wiedergegeben.

„Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.“ Im Namen Gottes hat das der Prophet Jesaja dem Volk Israel zugesagt. Mir zeigt das: Auch Gott ruft die Menschen bei ihrem Namen. Auch wenn Karolina Cohns Amulett noch in der Erde von Sobibor begraben wäre und niemand mehr ihren Namen kennen würde, Gott würde sein Versprechen halten.

Karolinas Name, meiner und der jedes Menschen ist mit allem, was wir sind, mit Gutem und Bösem, aufgehoben im gnädigen Gedenken Gottes, auch wenn unsere Namen auf der ganzen Welt vergessen wären. „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.“ Oft leiht sich die Kirche diesen Vers als Segenswort bei der Taufe. Darin wird beides spürbar: Eltern geben ihren Kindern Namen, so werden sie unverwechselbar. Und: Gott ruft sie bei ihrem Namen. So haben sie eine unverlierbare Würde als Mensch.

Morgen, am Volkstrauertag gedenken wir der Opfer von Krieg und Gewalt. Nächste Woche, am Totensonntag, sind in den Gottesdiensten die Namen aller zu hören, die im zurück liegenden Jahr verstorben sind. Die Namen nennen, sich der Toten erinnern – das machen auch die Stolpersteine im Frankfurter Nordend und anderswo. Sie geben den Menschen wenigstens ein wenig ihrer Würde zurück.

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