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Alles soll besser werden, aber so bleiben, wie es ist?
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Alles soll besser werden, aber so bleiben, wie es ist?

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

„Die reinste Form des Wahnsinns ist, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert“, meinte Albert Einstein. Was er hier so reflektiert und klug sagt, ist eine Erfahrung, die man ständig machen kann. Es gibt eine unaufhörliche Spannung zwischen dem, was uns vertraut ist und woran wir festhalten wollen, und der Einsicht, dass sich manches ändern muss, wenn das Leben weitergehen soll. Es gibt Menschen, die dazu neigen, möglichst viel beim Alten, Vertrauten zu belassen. Das nennt man dann eine konservative Haltung. Und es gibt andere, die wollen immer alles ändern. Die nennt man progressiv oder pionierhaft, manchmal rebellisch. Und es gibt die, die wollen beides gleichzeitig. Sie beklagen, dass ein Zustand so nicht mehr tragbar ist. Wenn man aber Veränderungen vorschlägt, kriegen sie einen Schreck.

Alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert – das ist, laut Albert Einstein, Wahnsinn. Das habe ich auch erlebt. In dem Dorf, in dem ich wohne, hat sich ein Verein mit dem Ziel gegründet, dass alte und hilfsbedürftige Menschen in der ihnen vertrauten Umgebung bleiben können und nicht in ein Altersheim ziehen müssen. „Leben und Sterben, wo ich daheim bin“ lautet unsere Philosophie.

Wir haben ein seit Jahren leerstehendes Fachwerkensemble gekauft und bauen es aus als Treffpunkt besonders für die älteren Menschen. Da gibt’s dann Tagesbetreuung für sie, einen Dorfladen, in dem man Lebensmittel einkaufen kann, ein paar altersgerechte Wohnungen. Die Häuser sind über zweihundert Jahre alt, also denkmalgeschützt. Die Denkmalschützer würden am liebsten alles Alte erhalten – die historischen Treppen, die bleiverglasten Fenster, die schönen alten Eichentüren. Doch die sind zu schmal für einen Rollstuhl; der kommt da nicht durch. Alles beim Alten belassen, wäre historisch und denkmalschutzgerecht. Aber wenn das Haus lebenswert und bewohnbar sein soll, muss man vieles verändern. Beides zugleich – beharren und verändern – geht nicht, wäre Wahnsinn, wie Albert Einstein meinte.

Es muss Kompromisse geben zwischen Altem und Neuem, zwischen Beibehalten und Verändern. Das üben wir bei unserem Projekt; das braucht viel Gesprächsbereitschaft und Geduld. Bei dem Zukunftsforscher Claus Otto Scharmer habe ich gelesen: Wenn du eine neue Idee hast, also etwas verändern willst, wirst du viele Bedenkenträger finden, die dir sagen: "Das geht nicht, weil..." Sie warnen vor Risiken, erzählen dir negative Beispiele. Doch wenn du von der Veränderung, die du willst, überzeugt bist, gib nicht auf. Statt zu glauben, "es geht nicht, weil...", stell die Rückfrage: "Es ginge doch, wenn..." Vielleicht bringst du Bedenkenträger damit auf neue Ideen.

Wenn wir zum Beispiel die historische Eichentür um ein paar Zentimeter breiter machten, dann könnte da ein Rollstuhl durch. Dann wäre der dreihundert Jahre alte Holztürpfosten nur noch halb so breit, aber die Wohnung wäre für einen alten Menschen nutzbar. Das könnte also gehen. Ich habe die Vision, dass leerstehende Häuser im Dorf allmählich altersgerecht hergerichtet werden und die Alten hier leben und sterben können, wo sie daheim sind. Die Kraft zu der Vision und den damit verbundenen Veränderungen nehme ich aus dem Glauben an den guten Ausgang aller Dinge. Gott sagt am Ende der Bibel: „Siehe, ich mache alles neu.“ (Offenbarung 21,5)

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