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Bildquelle:Pixabay

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Hermann Trusheim
Ein Beitrag von Hermann Trusheim, Evangelischer Schulpfarrer, Hanau
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Es ist Abend und viele Menschen sind unterwegs. Ein großer Zug bewegt sich durch die Stadt. Einige tragen ein großes Kreuz. Das Kreuz wird beleuchtet – Glühbirnen sind an den Konturen des Längs- und Querbalkens angebracht. Das sieht richtig feierlich aus und hat bestimmt viel Mühe und Aufwand in der Herstellung gekostet.

Es ist aber keine christliche Prozession oder Wallfahrt, die sich in der beginnenden Nacht durch die Straßen auf einen großen Platz zubewegt. Es werden auch keine Predigten auf der Kundgebung zum Abschluss des Marsches gehalten, sondern ganz andere Reden geschwungen. Das Kreuz ist mit den Farben der Bundesrepublik bemalt. Es muss herhalten, um eine Szene zu beleuchten, die mich mit Scham und Wut erfüllt.

Die Stadt heißt Dresden und die Marschierer nennen sich selbst ‚Pegida‘ – Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes soll diese Abkürzung bedeuten, auch wenn ‚Pegida‘ für mich auf das erste Hören eher klingt wie der Name einer neuen Katzennahrung.

Seit über einem Jahr kennen wir diese Aufmärsche, die Bilder von zornigen Gesichtern. Hasserfüllte Polemik bestimmt die Reden der Wortführer. Demokratische Institutionen, Politiker und Presse werden beschimpft, mit einer üblen Litanei von Sprüchen wird Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Rassismus weitergegeben und eingeübt.

Und wer dachte, das wäre mit dem vergangenen Winter vorbei, hat sich geirrt. Die Anführer der Bewegung hatten sich nur scheinbar zurückzogen, weil ihr Nazi-Gedankengut allzu offensichtlich wurde. Jetzt sind sie wieder da, und hasserfüllter als vorher.

Was haben sich diese Marschierer nur dabei gedacht, ein solches Kreuz herzustellen und in ihrem Zug zu verwenden? Und dazu noch Weihnachtslieder zu singen, um Menschen zu vertreiben, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen? – Wissen die Pegida-Sänger denn nicht, dass unsere Weihnachtslieder ein Flüchtlingskind aus dem Nahen Osten als Heiland besingen?

Für mich geht es hier um mehr als Unwissenheit. Meine Scham und Wut über Pegida reicht tiefer.

Ich bin wütend, weil die Pegida-Leute Symbole meines Glaubens missbrauchen, und meinen Glauben auch. Sie verachten Menschen, die für sie fremd sind. Jesus dagegen ruft dazu auf, sogar die zu lieben, die einem wie Feinde vorkommen, vielleicht, weil sie einem fremd sind. Ich schäme mich, weil die Pegida-Leute so an furchtbare Traditionen anknüpfen.

Das beleuchtete Kreuz erinnert mich an das Flammenkreuz des Ku-Klux-Klans, eine rassistische Vereinigung vor allem im Süden der USA. Der Ku-Klux-Klan ist für viele feige Morde an Menschen schwarzer Hautfarbe in der Vergangenheit verantwortlich. Noch heute schüren sie den Hass auf farbige Amerikaner. Sie missbrauchen das Kreuz, um sich als religiöse Vereinigung zu geben, bis hin zu den weißen Kutten und Kapuzen mit Kreuzsymbol, die sie tragen.

Die Wurzel der Pegida reicht für mich auch tief in die Vergangenheit unseres Landes.

Schon vor ihrer sogenannten ‚Machtergreifung‘ gründeten die Nazis die ‚Bewegung Deutscher Christen‘. Ihr Emblem war ein Kreuz, das im Scheitelpunkt von Längs- und Querbalken mit einem Hakenkreuz versehen wurde. Die ‚Deutschen Christen‘ trugen das Gedankengut der Nazis in die Kirche hinein. Bald beherrschten die ‚Deutschen Christen‘ viele Landeskirchen. Ihre Forderungen waren ungeheuer: Christen jüdischer Herkunft sollten aus den Gemeinden ausgeschlossen werden. Das Alte Testament sollte abgeschafft und ein ‚arischer Jesus‘ ohne sogenannte ‚jüdische Sklavenmoral‘ gepredigt werden.

Erst spät und von wenigen getragen kam es zum Widerstand in der Kirche. In der Bekennenden Kirche formierte sich eine Gegenbewegung. Sie konnte  jedoch nicht verhindern, dass die Nazi-Ideologie zur bestimmenden politischen Größe wurde.

Mit der Barmer Theologischen Erklärung hat uns die Bekennende Kirche ein Dokument hinterlassen, das eines ganz klar stellt: Menschenverachtende Ideologie ist ein Verstoß gegen das erste, das oberste Gebot: ‚Ich bin der Herr, dein Gott‘. Niemand darf sich dazu aufschwingen, Menschen in Erwünschte und Unerwünschte einzuteilen, in Menschen mit Rechten und Menschen, denen ich ihre Rechte verweigern darf.

Die alten rechten Ideologen versuchten, dem Kreuz Jesu ihren Hakenkreuzstempel aufzudrücken, und die neuen rechten Populisten schleppen wieder ein Kreuz mit. Diese unselige Tradition beschämt mich, und die Gotteslästerung, die sich damit verbindet, macht mich wütend.

Für mich ist es Zeit, den Zeichen, die Pegida missbraucht, etwas entgegen zu setzen. Für mich bedeutet die Buchstabenfolge ‚Pegida‘ eher: ‚Peinliche Einheimische geraten in das Abseits‘ – Und das möchte ich ihnen auch zeigen – gerade mit dem Kreuz.

Zum Glück bin ich dabei nicht allein. Andere haben schon den Anfang gemacht. Ich freue mich, dass unsere Kirchenleitungen und Gremien die rassistischen Strömungen eindeutig verurteilen. Auf Informationsveranstaltungen und in Diskussionen werden das simple Denken und die angstgesteuerte Propaganda der rechten Populisten aufgebrochen. Da wird aufgeklärt diskutiert. Und nach Lösungen gesucht, die allen Perspektiven geben.

Mit vielen phantasievollen Aktionen steuern Menschen vor Ort den Aufmärschen entgegen – da gehen Lichter aus, um zu zeigen, wie finster menschenfeindliche Gedanken Kopf und Herz machen. Toll finde ich die vielen Aktionen mit Musik und Kunst. Die zeigen, wie farbig und vieltönend die Welt nach Gottes Willen sein soll. So wird ein Zeichen des Lebens gegen tödliche Ideologie gesetzt, da ist das Kreuz am richtigen Ort.

Mir macht es Mut und Hoffnung, an solchen Aktionen teilzunehmen. Ich hoffe, das kann auch einige der Marschierer dazu bewegen, ‚umzukehren‘ im Sinne Jesu: Statt den drohenden Worten lieber der frohen Botschaft zu folgen, dass Gott alle Menschen liebt.

Zum Kreuz sagt Jesus: ‚Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich‘. Auch dafür steht für mich das Zeichen des Kreuzes: Der rechten Szene nicht die Deutungshoheit über die Probleme in unserem Land überlassen – auch nicht über die Ereignisse der Silvesternacht. Es gilt, in Verantwortung vor allen Menschen in unserem Land das Zusammenleben zu gestalten. Das ist nicht leicht, aber das führt über nötige Auseinandersetzungen hoffentlich zu einem Lernprozess für alle. So wird umgesetzt, was Jesus in Wort und Tat vorgelebt hat.

Das Kreuz gehört den Christen, das lasse ich mir nicht wegnehmen von den Pegidisten. Im Gegenteil, als erstes klebe ich mal eins aufs Auto und auf den Gitarrenkoffer – daneben den guten alten Blues-Brothers-Spruch: ‚Unterwegs im Namen des Herrn‘. Mal sehen, vielleicht fragt mich ja mal jemand danach, was das bedeutet. Dann werde ich sagen:

Das Kreuz ist für mich das Zeichen dafür, dass es Leiden und Probleme in der Welt gibt – und es ist das Zeichen dafür, dass Gott das Leid überwunden hat. Das erfahre ich nicht, indem ich irgendwelchen Parolen hinterherlaufe, sondern indem ich Jesus nachfolge.

 

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