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Was im Leben wichtig ist
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Was im Leben wichtig ist

Winfried Engel
Ein Beitrag von Winfried Engel, Katholischer Ltd. Schulamtsdirektor i. K. i. R., Fulda
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Was ist in meinem Leben wirklich wichtig? Was ist mir so wichtig, dass ich dafür sogar Liebgewonnenes aufgeben würde? Diese Fragen stelle ich mir nicht jeden Tag. In Zeiten der Corona-Pandemie ist das jedoch anders. Wir alle müssen auf Vieles verzichten. Das führt irgendwann auch zu der Frage, was nun wirklich wichtig, was unverzichtbar ist. Eine Antwort darauf muss ich finden, sie ist sogar im wahrsten Sinn des Wortes "lebens-wichtig". Nicht selten steckt sie in den guten Vorsätzen, die den Jahresanfang begleiten. Auch hier überlegen Menschen, was ihnen wichtig ist oder worauf sie vielleicht künftig verzichten sollten. Verbreitet sind auch Spiele, die bei der Beantwortung dieser Frage helfen sollen. Etwa dieses: Stelle dir vor, du musst für eine gewisse Zeit auf eine einsame Insel gehen. Zähle zehn Dinge auf, die dir sehr wichtig sind. Doch nur drei davon darfst du mitnehmen. Welche drei würden das sein? Die Entscheidung ist sicher für mich selbst sehr aufschlussreich. Spannend und vielleicht sogar erheiternd kann sein, wofür sich andere im Freundes- oder Bekanntenkreis entscheiden. Bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, was im Leben wirklich wichtig ist, erinnere ich mich an eine Geschichte, die dabei helfen könnte.

Ihr Titel: Die Geschichte vom Blumentopf und dem Bier1

Ein Professor stand vor seiner Philosophie-Klasse und hatte einige Gegenstände vor sich. Als der Unterricht begann, nahm er wortlos einen sehr großen Blumentopf und begann diesen mit Golfbällen zu füllen. Er fragte die Studenten, ob der Topf nun voll sei. Sie bejahten es. Dann nahm der Professor ein Behältnis mit Kieselsteinen und schüttete diese in den Topf. Er bewegte den Topf sachte und die Kieselsteine rollten in die Leerräume zwischen den Golfbällen. Dann fragte er die Studenten wiederum, ob der Topf nun voll sei. Sie stimmten zu. Der Professor nahm als nächstes eine Dose mit Sand und schüttete diesen in den Topf. Natürlich füllte der Sand den kleinsten verbliebenen Freiraum. Er fragte wiederum, ob der Topf nun voll sei. Die Studenten antworteten einstimmig "ja"". Der Professor holte schließlich zwei Dosen Bier unter dem Tisch hervor und schüttete den ganzen Inhalt in den Topf und füllte somit den letzten Raum zwischen den Sandkörnern aus. Die Studenten lachten. "Nun", sagte der Professor, als das Lachen langsam nachließ, "ich möchte, dass Sie diesen Topf als die Repräsentation Ihres Lebens ansehen. Die Golfbälle sind die wichtigen Dinge in Ihrem Leben: Ihre Familie, Ihre Kinder, Ihre Gesundheit, Ihre Freunde, die bevorzugten, ja leidenschaftlichen Aspekte Ihres Lebens, welche, falls in Ihrem Leben alles verloren ginge und nur noch diese verbleiben würden, Ihr Leben trotzdem noch erfüllen würden. Die Kieselsteine symbolisieren die anderen Dinge im Leben wie Ihre Arbeit, Ihr Haus, Ihr Auto. Der Sand ist alles Übrige, die Kleinigkeiten. Falls Sie den Sand zuerst in den Topf geben", fuhr der Professor fort, "hat es weder Platz für die Kieselsteine noch für die Golfbälle. Dasselbe gilt für Ihr Leben. Wenn Sie all Ihre Zeit und Energie in Kleinigkeiten investieren, werden Sie nie Platz haben für die wichtigen Dinge. Achten Sie auf das, was für Ihr Glück wichtig ist. Spielen Sie mit den Kindern. Nehmen Sie sich Zeit für eine medizinische Untersuchung. Führen Sie Ihren Partner zum Essen aus. Es wird immer noch Zeit bleiben, um das Haus zu reinigen oder Pflichten zu erledigen. Achten Sie zuerst auf die Golfbälle, also die Dinge, die wirklich wichtig sind. Setzen Sie Ihre Prioritäten. Der Rest ist nur Sand." Einer der Studenten erhob die Hand und wollte wissen, was denn das Bier repräsentieren soll. Der Professor schmunzelte: "Ich bin froh, dass Sie das fragen. Es ist dafür da, Ihnen zu zeigen, dass, egal wie schwierig Ihr Leben auch sein mag, es immer noch Platz hat für ein oder zwei Bierchen."

Musik

Diese Geschichte vom Blumentopf hat mich angesprochen. Sie gibt auf ebenso heitere wie tiefsinnige Weise eine sehr kluge Antwort auf die Frage, was denn im Leben wirklich wichtig ist. Für den Professor ist bei seiner Deutung nicht entscheidend, was alles in diesen Topf, den er mit dem menschlichen Leben vergleicht, hineinpasst. Entscheidend ist für ihn der Stellenwert, den er den einzelnen Dingen beimisst. Es leuchtet jedem ein, dass ein Leben, das mit der Sorge um Kleinigkeiten ausgefüllt ist, nichts anderes mehr zulässt. Setze ich aber meine Prioritäten anders, dann passt in mein Leben sehr viel mehr hinein. Dann bietet es neben den ganz wichtigen und zentralen Dingen auch Platz für die vielen anderen Dinge, die mir auch wichtig sind. Ja, genauso ist es, sagte ich mir, als ich die Geschichte das erste Mal las. Doch irgendwie ließ mich diese Antwort nicht los. Und je länger ich darüber nachdachte, umso mehr wurde mir bewusst, dass sie an einer Stelle eine entscheidende Lücke lässt. "Die Golfbälle sind die wichtigen Dinge in Ihrem Leben: … welche, falls in ihrem Leben alles verloren ginge und nur noch diese verbleiben würden, Ihr Leben trotzdem noch erfüllen würden." Gestolpert bin ich über die Formulierung "falls in ihrem Leben alles verloren ginge und nur noch diese verbleiben würden". Wer sagt mir eigentlich, dass genau diese Dinge nicht verloren gehen können, dass sie immer als Fundament mein Leben tragen würden? Familie, Kinder, Gesundheit, Freunde – auch das kann im Leben verloren gehen. Ich habe keine Sicherheit für den Bestand meiner Familie, ich habe keine Sicherheit für den guten Kontakt zu meinen Kindern, auch nicht für deren Gesundheit. Meine eigene Gesundheit kann ich zwar pflegen und alles mir Mögliche dafür tun, garantiert ist sie mir jedoch nicht. Auch die Freunde können mich verlassen und sich von mir abwenden. Und gerade jetzt, in Zeiten der Pandemie, bekomme ich zu spüren, wie schnell vermeintlich wichtige Dinge verloren gehen können. Und was bleibt dann?

Musik

Die Frage, was im menschlichen Leben wichtig ist, wird auch in der Bibel gestellt. In der Bergpredigt im Neuen Testament fragt der Evangelist Matthäus: "Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern?" (Mt 6,27) Und dann nennt er die Sorgen um die Kleidung, um das Essen, um das Trinken, kurz um alle die Dinge, die den Menschen im Alltag beschäftigen. Seine Antwort auf diese Frage ist so selbstverständlich, dass er sie gar nicht mehr gibt. Nein, keiner kann das, wird jeder von sich aus ergänzen. Und was schlägt Matthäus vor, stattdessen zu tun? "Euch aber muss es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben" (Mt 6,33), lautet seine Antwort. Ziemlich naiv werden jetzt manche sagen. Realistisch jedenfalls scheint ein solcher Vorschlag nicht. Und das ist sicher richtig, denn die Versorgung mit den alltäglichen Dingen kann ich nicht dadurch sicherstellen, indem ich ganz einfach auf Gott vertraue. Geradezu makaber muss aber die Antwort des Matthäus wirken, wenn man sie angesichts alles dessen hört, was Menschen seit dem letzten Jahr verloren haben. Nur durch Gottvertrauen lässt sich das sicher nicht ausgleichen.

So naiv kann auch der Evangelist Matthäus gar nicht gewesen sein, dass er damit eine Regel bzw. Handlungsanweisung für den Alltag geben wollte. Es geht ihm um mehr, nämlich um das – und da möchte ich ihn mit der Aussage der Geschichte vom Blumentopf in Verbindung bringen - was im Leben Priorität haben soll. Und diese Priorität ist für ihn ganz eindeutig: "Euch aber muss es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen". Gott muss nach Meinung des Matthäus im Leben die erste Stelle einnehmen. Wer Gott diese Stelle einräumt, der braucht sich um die anderen Dinge im Leben im Grunde keine Sorgen mehr zu machen. Das ist nicht vordergründig zu verstehen, etwa im Sinne eines Schlaraffenlandes, wo mir die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Der Sinn dieser Aussage liegt tiefer: Wer im festen Vertrauen auf Gott lebt, dem kann kein Mangel im täglichen Leben wirklich etwas anhaben. Und wer Gott in seinen Lebenstopf als Ersten hineintut, der kann auch noch viele Golfbälle, Kieselsteine oder auch Sand hinzufügen. Und nicht zuletzt bleibt auch Platz für ein Glas Bier – sicher ein Symbol für die ganz einfachen und simplen Freuden des Lebens. Und so möchte ich das Ende der Geschichte abwandeln und sagen: Egal, wie schwierig das Leben auch sein mag, wer Gott an die erste Stelle setzt, der wird alle Schwierigkeiten bestehen und für den bleibt immer auch noch etwas, worüber er sich freuen kann. Auch in Zeiten der Pandemie.

 

1 Die Geschichte vom Blumentopf und dem Bier - WiWi-TReFF Zeitung (wiwi-treff.de); Autor unbekannt

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