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Sehenden Auges in die Zukunft
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Sehenden Auges in die Zukunft

Maike Westhelle
Ein Beitrag von Maike Westhelle, Evangelische Pfarrerin, Studienleiterin, Hofgeismar
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Mein Nachbar Mo ist ein grummeliger Typ. Wortkarg und zurückgezogen. Aber neulich hatte er offensichtlich im Treppenhaus auf mich gewartet. Wir plauderten ein wenig über das scheußliche Wetter und ich war schon ganz verwundert über Mos Gesprächigkeit.
Aber dann kam die große Überraschung: Mo zog sein Handy aus der Tasche und strahlte. „Guck mal!“, sagte er und hielt mir Fotos unter die Nase. Eierkartons mit Erde gefüllt. Mit viel Fantasie konnte man einige grüne Spitzen erahnen.

Ich muss wohl etwas blöd geguckt haben, jedenfalls fing er an, jeden einzelnen Eierkarton zu erläutern:
„Das sind Jalapenos und hier wachsen Habanero Chilis. Die sind richtig schön scharf! Hier habe ich Cherry-Tomaten, die Samen habe ich von einer Tomate aus dem letzten Sommer. Daneben Ochsenherz, die sehen zwar nicht schön aus, aber sie sind wunderbar aromatisch! Und dann noch San Marzano – die perfekte Sorte für Tomatensoße. Oder mit Salz, Pfeffer und geriebenem Ziegenkäse. Ein Gedicht!“

Ich bin mir sicher: Mo lief schon das Wasser im Munde zusammen, während ich noch auf die Erdhaufen starrte. 
Seit dieser Begegnung sehe ich Mo mit anderen Augen. Er ist gar nicht nur mürrisch, sondern sehr leidenschaftlich. Er sieht schon jetzt, dass er im Sommer keine Tomaten kaufen muss. Ein bisschen wie im Alten Testament. Darin sagt Gott: „Ich schaffe Neues, jetzt wächst es auf – erkennst du das denn nicht?“
Doch. Jetzt erkenne ich es. Mo hat mich mit seiner Begeisterung angesteckt. Die wunderbaren Kirschblüten werden vor meinen Augen zu reifen Früchten. Ich rieche schon fast das frische Grün an den Bäumen.  Gottes Schöpfung ist wunderbar – jeden Frühling aufs Neue!
 

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