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Schawuot und Pfingsten
Bild: milczewsky

Schawuot und Pfingsten

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Am Ende dieser Woche feiern Christinnen und Christen Pfingsten. Sechs Tage sind es noch bis dahin, und dann sind die fünfzig Tage Osterzeit vorbei. Pfingsten ist ursprünglich ein jüdisches Fest, das Wochenfest Schawuot.

Sieben Wochen nach Pessach feiern Jüdinnen und Juden Schawuot. Gestern hat für sie Schawuot in diesem Jahr begonnen, bis morgen wird es auch hier in Deutschland gefeiert.

Wohin du gehst, dahin gehe auch ich

Die Festtagslesung beim jüdischen Wochenfest ist das Buch Rut, weil Rut sich als Nichtjüdin zum Judentum bekannt hat. Rut war die Schwiegertochter der Jüdin Noomi. Rut stammte aus Israels Nachbarland Moab, wo Noomi zehn Jahre lang mit ihrer Familie gelebt hatte.

Als Noomis Mann und ihre Söhne in Moab gestorben sind, will Noomi nach Israel heimkehren. Aber Rut will sie nicht verlassen. Auch als Noomi sie zurückschicken möchte, lässt sich Rut nicht davon abbringen, und sagt ihr: „Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein.“ (Rut 1,16–17)

Als Fremde zieht Rut mit und lässt sich mit Noomi in Betlehem nieder. Die Geschichte Ruts und Noomis ist ein bewegendes biblisches Beispiel der Solidarität zwischen Frauen.

Über die Grenzen von Herkunft und Kultur hinweg

In diesem Jahr wird 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert. Gleichzeitig haben Antisemitismus und antijüdische Aggressionen wieder erschreckend zugenommen, oft in subtiler öffentlicher Distanzierung von jüdischen Menschen und ihrem Leben in Deutschland.

Der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering hat in einer beeindruckenden Rede gezeigt, wie rechte Rhetorik inzwischen wieder ein "Wir" herbeiredet, das Juden ausschließt. "Wir", "uns" und "unser" steht da für "unser Volk", "unser Vaterland" und "unsere Kultur".

So wird ein gemeinschaftliches Gefühl von "unserem deutschen Volk" erzeugt, das andere bewusst draußen vor der Tür lässt. Ruts Wort an Noomi spricht eine andere Sprache: "Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott." Dieses Bekenntnis verbindet Rut mit ihrer Schwiegermutter über die Grenzen von Herkunft und Kultur hinweg.

Gott hat uns mit in sein Volk Israel aufgenommen

Das jüdische Volk Israel ist Gottes Volk und bleibt es. Ein Wir, das Jüdinnen und Juden ausschließt, kann als Christ niemals meines sein.

Als Christ feiere ich an Pfingsten, dass der biblische Gott uns durch die Gabe des Geistes mit in sein Volk Israel aufgenommen hat. Ich schäme mich zutiefst, wenn diese Wurzeln meines Glaubens heute wieder von nationalistischer Demagogie angegriffen werden.

Gemeinsam feiern

An Schawuot schmücken Jüdinnen und Juden ihre Synagogen mit grünen Zweigen, denn nach einer Legende hat sich der Berg Sinai begrünt, als Mose und Israel dort die Tora empfangen haben.

Allen Jüdinnen und Juden wünsche ich heute ein frohes Fest Schawuot. Ihr Fest möchte ich auch zu meinem Pfingstfest machen. Ich hole mir heute ein paar frühlingsgrün blühende Zweige in mein Zimmer. Die Zweige sollen für mich ein Zeichen der Dankbarkeit für Jüdinnen und Juden sein, die heute in dieser Stadt und in diesem Land leben.

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