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Repicturing Homeless - Obdachlose in einem neuen Licht sehen
Ales Kartal/Pixabay

Repicturing Homeless - Obdachlose in einem neuen Licht sehen

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim
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Obdachlose in einem neuen Licht sehen. Darum ging es in einem Fotoprojekt, für das obdachlose Menschen für einen Tag in eine ganz neue Rolle geschlüpft sind. Für das Projekt werden sie gut frisiert, geschminkt und wie Geschäftsleute schick gekleidet. "Repicturing Homeless" nennt sich das Projekt. Als ich die Fotos sehe, bin ich verwundert. Es gibt jeweils ein Vorher- und ein Nachherfoto.

Aus Hans-Jürgen, der von sich sagt, er habe sein ganzes Leben auf der Straße verbracht ist ein Modedesigner geworden. Mit dunkler Brille, einem schwarzen Rollkragenpulli und Sakko kann ich kaum glauben, dass dies derselbe Mann ist, den ich auf dem Bild vorher gesehen habe. Vanessa, die seit mehr als zehn Jahren auf der Straße lebt, hat sich in eine Geschäftsfrau verwandelt. Mit weißer Bluse und einer Hochsteckfrisur steht sie an der Rezeption eines Hotels. So, als hätte sie in ihrem Leben nichts anderes gemacht.

Obdachlose Menschen werden oft abschätzig angeschaut. Sie erregen Mitleid, manchmal auch Wut: „Muss der hier auf der Straße sitzen?“ oder „Kann die nicht was vernünftiges arbeiten, statt um Geld zu betteln“, denken manche, wenn sie an obdachlosen Menschen vorbei gehen. Diese Vorurteile möchte das Projekt in Frage stellen. Das Magazin fifty fifty, das von Obdachlosen auf der Straße verkauft wird, hat zusammen mit einer bekannten Fotoagentur diese Bilder aufgenommen.

Liebe deinen Nächsten, er ist wie du, so hat der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber das Gebot der Nächstenliebe aus der Bibel übersetzt. Darum geht es bei dem Projekt: Zu zeigen, dass obdachlose Menschen sind, wie du und ich. Mal die Perspektive wechseln, Vorurteile in Frage stellen, Menschen anders sehen: Dazu will das Projekt beitragen. Bei mir hat es geklappt.

Im Sommer hat das Projekt den 1. Preis im Wettbewerb "Sozialkampagne" der Bank für Sozialwirtschaft gewonnen. Eine tolle Auszeichnung. Ich hoffe sehr, dass ich eines der Bilder wirklich mal als Werbebild in einer Zeitung oder im Internet sehen kann.

Wenn eines der Bilder verkauft wird, geht der Erlös direkt an das Straßenmagazin fifty fifty und die Arbeit mit Obdachlosen. Was aber mindestens genauso wichtig ist, dass mehr Menschen dadurch wahrnehmen: Obdachlose sind Menschen wie wir. Wenn jemand wohnungslos ist, dann sagt das über ihn als Mensch erstmal wenig aus. Viele von den Obdachlosen, die bei dem Projekt mitgemacht haben, haben danach gesagt: „Mir hat das richtig Selbstbewusstsein gegeben. Das war eine tolle Erfahrung!“

Liebe deinen Nächsten, er ist wie du. Mir haben die Fotos die Augen geöffnet.

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