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O Weisheit!
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O Weisheit!

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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O Weisheit! Was wie eine leicht verzweifelte Bitte um Einsicht klingt, ist der Beginn eines uralten Gebets. Heute wird es in der katholischen Kirche gesprochen oder gesungen. „O Weisheit“ so lautet die sogenannte „O-Antiphon“ des heutigen Tages. Die O-Antiphonen werden so genannt, weil sie alle mit dem sehnsuchtsvollen Ruf „O“ beginnen. Sie sind mindestens 1400 Jahre alt und werden im Stundengebet oder in der Messe an den letzten sieben Tagen vor Weihnachten gebetet. Es sind sehnsuchtsvolle Rufe nach dem Messias, O komm! Heißt es immer am Schluss. Und die Anrede am Anfang greift verschiedene Bilder für den Messias auf: O Weisheit! O Morgenstern! O König aller Völker! zum Beispiel.

Das Gebet heute am 17. Dezember lautet so:

O Weisheit,

hervorgegangen aus dem Munde des Höchsten –

die Welt umspannst du von einem Ende zum andern,

in Kraft und Milde ordnest du alles:

o komm und offenbare uns

den Weg der Weisheit und Einsicht.

Dem Gebet kann ich mich heute aus ganzem Herzen anschließen. Ich wünsche mir eine ordnende Weisheit für unser derzeit so in Unordnung geratenes Leben. Eine Weisheit, die sich mit Kraft durchsetzt. Eine Weisheit, die auch milde, mit Nachsicht und Barmherzigkeit die Ordnung aufrechterhält oder wiederherstellt.

Ich denke auch daran, wie schwierig die Entscheidungen in den letzten Monaten waren, die so viele Menschen – eigentlich wir alle – zu treffen hatten und haben. Angefangen bei den Verantwortungsträgerinnen und –trägern in Regierung und Gesellschaft, über die Schulleiterinnen und Erzieher. Jede und jeder musste sich immer wieder neu entscheiden, was das Richtige ist. Wie viel Freiheit ist für den Gesundheitsschutz noch vertretbar – wie streng müssen Regeln sein?

Weisheit braucht es dafür allemal. Weisheit ist nämlich mehr als Klugheit. Weisheit bewegt alle Aspekte einer Sache im Herzen: Tatsachen, Bedürfnisse und Risiken. Weisheit beachtet das alles und trifft erst dann eine Entscheidung.

In der Bibel gibt es die Erzählung von König Salomo, der einmal von Gott gefragt wurde, was er sich wünscht. Salomo hat geantwortet: „Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ (1 Könige 3,9). Er ging als weiser König Salomo in die Geschichte ein, und bis heute kennen viele die Redensart von der „salomonischen Weisheit“ oder der „salomonischen Lösung“.

Salomon hat um ein hörendes Herz gebeten – das wünsche ich mir auch. Ich wünsche es mir auch für die vielen Menschen, die in mehr oder weniger aufgeregten Debatten nach Lösungen suchen. Ich wünsche es mir für die Menschen, die im Familienkreis einen Weg suchen, wie sie den unterschiedlichen Bedürfnissen nach Sicherheit und Gemeinschaft an Weihnachten gerecht werden können. Ich wünsche es mir vor allem auch für die Menschen, die verbohrt nur das sehen wollen, was ihre Theorie bestätigt und die dabei die Gefühle anderer verletzen. Deshalb werde ich heute sehr bewusst beten: O Weisheit, o komm!

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