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Ist doch nur Religion
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Ist doch nur Religion

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Lenas Mutter ist sauer. Schon wieder ist Lenas Religionsstunde ausgefallen. Die Lehrerin kann ja nichts dafür. Sie hat sich ein Bein gebrochen und fällt jetzt wochenlang aus. Aber da muss es doch eine Vertretung geben! Wäre das bei Mathe oder Englisch genauso? Auf dem Weg zum Elternabend hat sie sich das überlegt und dann spricht sie es an: „Mir ist das wichtig, dass unsere Kinder im Unterricht nicht nur Wissen anhäufen. Sie sollen auch darin begleitet werden, sich als Personen zu entwickeln. Sie sollen sich ein Urteil bilden können auch in religiösen Dingen."

Dafür muss man sich natürlich auch mit dem beschäftigen, was über das Alltägliche und Vorfindliche hinausgeht, Lebensfragen eben: Wo komm ich her, wo geh ich hin, was bin ich wert, was ist mit wichtig? Für so etwas sind ja eher die weichen Fächer zuständig: Kunst und Musik, und vor allem Religion.

Bens Vater sieht das anders. Er setzt sich auf dem zu kleinen Stuhl ein wenig zurecht und sagt: „Welche Schulfächer wichtig sind, das hängt doch davon ab, was jemand einmal werden will. Wenn man nicht gerade Pfarrer werden will, braucht man doch kein Religion. Kunst ist brotlos und für Musik haben nur die wenigsten Talent, das kann man den Profis überlassen. Das stimmt schon, Schule bereitet auf das Leben vor. Aber das Leben ist hart, da kann man mit weichen Schulfächern nichts werden.“

Als Lehrer weiß ich: Immer mehr Kinder kommen in der Schule zum ersten Mal mit Religion in Berührung. Darum beginnt Religionsunterricht oft bei den Fragen der Kinder, bei dem, was sie schon kennen und können, bei ihrer Sicht der Welt. Wie Reiseführer machen sich Lehrerinnen und Lehrer dann mit ihnen auf den Weg. Dabei müssen sie Vorbilder und Experten sein, ohne die Kinder religiös zu überwältigen.

Unterwegs wird nicht nur im Kopf gelernt, es wird viel erkundet, erlebt und ausprobiert, damit möglichst alle gute, wenn auch vorläufige Antworten finden und Mut bekommen, weiter unterwegs zu sein. Die Diskussion am Elternabend ist noch eine Weile weitergegangen. Am Ende hat die Elternvertreterin eine Grußkarte für die Religionslehrerin herumgegeben. „Gute Besserung“ stand drauf und „Wir freuen uns, wenn Sie bald wieder zur Schule kommen können.“ Viele haben unterschrieben, Bens Vater auch.

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