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Gedenken an die Aufstände
Foto: pixabay / geralt

Gedenken an die Aufstände

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt
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Ich gebe zu, den Name Werner Sendsitzky kannte ich nicht. Heute würde er seinen 83. Geburtstag feiern. Würde. An seinem 16. Geburtstag aber wurde er in seiner Vaterstadt Berlin erschossen. Es waren unruhige Tage vor 67 Jahren, damals 1953, besonders in der DDR. Und bedrohliche: Die Nahrung wurde knapp, der Staatshaushalt hatte nicht genug Einnahmen. Das Zentralkomitee der SED und die Regierung versuchten, den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen. Es kam im Osten zu Enteignungen und Steuererhöhungen. Und die Arbeitsnormen wurden erhöht, mehr Leistung in derselben Zeit für dasselbe Geld sollte erbracht werden.

Aus Versehen erschossen?

Dadurch wächst der Unmut unter den Arbeitern. Am 16. Juni 1953 demonstrieren Ostberliner Bauarbeiter, am 17. Juni bricht der Aufstand in der ganzen DDR aus. Werner Sendsitzky kam aus Westberlin und wollte für seinen Geburtstag einkaufen. Da sah er die Aufständischen im Ostsektor der Stadt und kletterte wie andere Jugendliche neugierig auf ein Häuserdach, um besser sehen zu können. Er dachte, weit genug weg sei er sicher. Ein Augenzeuge von damals erzählt: "Ich habe nicht gesehen, dass diese Jungen mit Steinen warfen oder sich sonst irgendwie ungehörig benahmen.“ Weiter berichtete er, dass Volkspolizisten mit vorgehaltenen Pistolen versuchten, Menschen aus dem Westsektor wieder dorthin zurückzudrängen. Sie schossen in die Luft. Der Augenzeuge erzählt: "Diese Schießerei gegen 19:45 Uhr kann höchstens fünf Minuten gedauert haben. … Plötzlich hörte ich vom Dach Stimmen, dass jemand getroffen worden sei. Wir stellten fest, dass er aus der Herzgegend blutete. Er wurde mit einem Funkwagen, (einem Polizeiwagen) abtransportiert. … Dort (im Krankenhaus) wurde uns mitgeteilt, dass der Werner an seinen erlittenen Verletzungen verstorben ist."

Mutig eintreten für das, woran ich glaube

55 Todesopfer während den Aufständen und bei späteren Hinrichtungen sind belegt. Etwa 20 weitere Todesfälle sind ungeklärt. Dabei wollten die Menschen doch nur ihre Rechte und ihre Freiheit einklagen. Ein verzweifelter, aber auch ein mutiger Protest. Manchmal zweifele ich, ob ich den Mut gehabt hätte, damals zu demonstrieren, für die Freiheit mein Leben zu riskieren. Obwohl ich als Christ aus einer großen Hoffnung lebe. Die habe ich aus der Bibel: Da sagt Jesus (Johannes 15, 12f): „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Mich fordern die Protestierer vom 17. Juni damals dazu auf, auch heute mutig einzutreten für das, was mir wichtig ist und woran ich glaube. Und ich bitte Gott um den Mut, das auch zu tun.

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