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Du bist unendlich wertvoll
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Du bist unendlich wertvoll

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

In eineinhalb Wochen sind die Sommerferien in Hessen vorbei. Für zehn Kinder fängt dann das Schulleben in unserer kleinen Dorfschule an. Sie kommen in die erste Klasse. Ein großer Schritt! Dazu feiern wir einen Gottesdienst in der Kirche. Seit Jahren ist es üblich, dass nicht nur Pfarrer und Lehrerin etwas sagen, sondern auch die Kinder selbst und die Eltern der neu Eingeschulten. Meistens bringen sie gute Wünsche für die Kinder mit. Das Gerede vom Ernst des Lebens, der mit der Schulzeit beginnt, ist zum Glück selten geworden. Als wären die ersten Lebensjahre und der Kindergarten nur Spaß gewesen, der nun für immer vorbei ist.

Im vorigen Jahr passierte in dem Schulanfangsgottesdienst etwas Merkwürdiges. Einige Eltern hatten gesagt, was sie ihren Kindern wünschen: „Viel Spaß an der Schule“ zum Beispiel oder „Immer gut aufgelegte, freundliche Lehrerinnen“. Jemand wünschte seinem Kind viel Leistungsbereitschaft und schnell guten Erfolg. Dann war ein Vater dran. Er war sichtlich aufgeregt. An seinen Jungen gewandt sagte er: „Mein Bub, ich war auch in der Schule. Nur schön war es nicht; manchmal war es mühsam. Aber das musst du ertragen. Alles ist, wie es ist; und ein schepper Arsch macht einen scheppen Schiss.“ In diesem Augenblick lachte die ganze Kirche. Ich habe noch nie in einem Gottesdienst so viel Applaus erlebt.

Mag auch die Ausdrucksweise, die der Mann gewählt hat, etwas oberhessisch derb geklungen haben, der Applaus der Leute gab ihm recht. In den rund dreitausend Tagen, die ein Schüler in seinem Leben in der Schule verbringt, gibt es nicht nur Freude und Erfolg. Da muss man auch manchmal etwas ertragen lernen: Durststrecken, schlechte Noten, Auseinandersetzungen mit anderen Schülern oder auch mit Lehrern. Da braucht man eine gewisse Gelassenheit und Geduld: Alles ist, wie es ist.

Der Leistungsdruck auf die Kinder wird immer größer wird. Bei manchen Eltern habe ich den Eindruck, sie erwarten, dass ihr Sohn oder ihre Tochter schon die Grundschule mit dem Abitur abschließt. Solchen Eltern wünsche ich mehr Geduld. Mit sich und ihren Kindern.

An der evangelischen Grundschule, die wir seit 17 Jahren im Dorf haben, sind Selbstwertgefühl, Zuversicht und Vertrauen hohe Werte. Jedes Kind soll erfahren, dass es wichtig ist, so wie es ist, dass es in der Schule herzlich willkommen ist, als Kind Gottes mit einer unverlierbaren Menschenwürde begabt. „Ich bin unendlich wertvoll.“ Wenn unsere Söhne und Töchter diesen Satz in ihrer Schulzeit erfahren und verinnerlichen, dann haben sie fürs Leben gelernt. Dieses Urvertrauen brauchen die Kinder in der Schule, so wie es jeder von uns auf seinem Weg braucht. Vertrauen trägt weiter als Angst.

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