Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Die Kraft der Freundlichkeit
Bildquelle: mila1607/Pixabay

Die Kraft der Freundlichkeit

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
Beitrag anhören:

Ich sitze in meinem Auto und fahre geduldig im stockenden Verkehr zu meinem nächsten Termin. „Bald habe ich es geschafft, nur noch eine rote Ampel mit einem Fußgängerüberweg passieren. Dann bin ich an meinem Ziel. Eine Gruppe überquert die Straße. Mittendrin ein ca. 6-jähriger Junge, mit einer Kappe auf dem Kopf und einer langstieligen Sonnenblume in der Hand. Stolz trägt er sie vor sich her. Ich weiß nicht, woher er sie hat. Aber ich beobachte ihn aufmerksam. Er blickt zu mir ins Auto und dreht die Blume in meine Richtung. Dabei lacht er ein wenig schelmisch. Ich kann nicht anders, ich lache auch ihn an. Es ist wie eine kleine fröhliche Begrüßung. Diese Freundlichkeit erreicht mein Herz durch die Autoscheibe und unterbricht meine routinemäßige Fahrt auf schöne Weise.
Ich nehme das innere Bild von dem Jungen mit seiner Sonnenblume und seinem lachenden Blick mit in mein nächstes Gespräch und bin ganz positiv gestimmt.
„Was ein Lächeln bewirken kann!“ Vermutlich kam das Lächeln des Jungen sehr spontan und unvorbereitet. Vielleicht ist er einfach ein freundlicher Junge. Aber es kann auch eine Lebenshaltung sein. In der Bibel werden wir als Gottes Kinder aufgefordert, Freundlichkeit anzuziehen, wie ein zweites Kleid. (Kol. 3,12).
Solch einen Menschen habe ich auch auf meiner Fahrradtour in einer Vierergruppe durch die Dolomiten kennengelernt. Im Regen kommen wir auf 1500 Höhenmeter bei unserem Übernachtungsquartier an. Wir stellen die Fahrräder draußen ab. Der Wirt kommt sofort und trägt die Fahrräder zusammen mit seinem Vater in den Keller. So stehen sie sicher. Er fragt auch nach unserer nassen Wäsche, die er zum Trocknen mitnimmt. Wir sind beeindruckt, wie er für uns da ist. Am nächsten Morgen, wir sind gut ausgeschlafen und fröhlich aufgebrochen und etwa bei 2000 Höhenmetern fällt die Vorderlampe meines Fahrrades ab und das Schutzblech auf den Reifen. Die Schraubenfallen runter und sind erstmal weg. Da kommt ein kleiner Fiat auf uns zugefahren. Der Hüttenwirt steigt aus und reicht uns 4 Ausweise, die wir vergessen haben. Wir freuten uns. Was wäre gewesen, wenn wir den Verlust erst später bemerkt hätten? Der Wirt fragt dann noch, warum wir angehalten hätten und was wir suchen würden? Er bückt sich, findet mit einem Blick die wichtigste Schraube. Er lächelt und gibt sie mir. Gerade will ich mich ausführlich bedanken, aber da ist er schon weg.
Hier haben wir einen Menschen getroffen, der auch Freundlichkeit wie eine zweite Haut übergezogen hat. Ich trage dieses Erlebnis mit mir. Ich möchte mich, so oft wie möglich, daran erinnern. Es motiviert mich ähnlich freundlich auf andere Menschen zuzugehen.

 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren