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Der Kniefall: die Wirkungsgeschichte einer Geste
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Der Kniefall: die Wirkungsgeschichte einer Geste

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin
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Wer auf die Knie geht, macht sich kleiner. Menschen knien vor Gott, dem König, manchmal auch vor der Angebeteten. Es kann eine Geste der Demut sein, des Respekts, der Unterwerfung.

Willy Brandts Kniefall

Wer freiwillig auf die Knie geht, zeigt sich verletzlich. Ganz groß: Willy Brandts Kniefall 1970 vor dem Mahnmal für die Opfer des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Er übernahm damit Verantwortung für die Schuld der Deutschen an den Verbrechen in der Nazi-Zeit.

Der Kniefall als Protest

Der Kniefall kann auch Zeichen des Protests sein. 2016 blieb der amerikanische Footballspieler Colin Kaepernick während der Nationalhymne sitzen, bei späteren Spielen beugte er sein Knie – aus Protest gegen die Ermordung schwarzer Amerikaner durch die Polizei. Viele Menschen ächteten ihn dafür, seine Karriere war beendet. Heute ist er arbeitslos. Die Kniebeugung diente in seinem Fall als paradoxe Intervention. Viele Polizisten zwingen schwarze Amerikaner in die Knie und erniedrigen sie. Kaepernick machte das freiwillig.

Mich erinnert das an einen Satz von Jesus aus der Bergpredigt: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.“ Es entwaffnet den Gegner. Wie soll man gegen jemanden kämpfen, der sich niederkniet, sein Knie oder Haupt beugt?

Auf jemanden knien - als Erniedrigung

Die Protestaktion des Footballspielers war wie gesagt 2016. Aufgehört haben die Erniedrigungen schwarzer Menschen nicht. Ende Mai dieses Jahres kniete ein Polizist im US-Bundesstaat Minnesota auf dem Hals von George Floyd, länger als acht Minuten. Der Mann war bewusstlos, starb wenige Stunden später im  Krankenhaus. Seither demonstrieren in vielen Städten Bürger gegen Rassismus. Polizisten solidarisieren sich zum Teil mit den Demonstranten gegen Rassismus, bitten um Vergebung für Gewalt aus ihren Reihen.

Auch die Polizei beugt die Knie

Wie tun sie das? Sie ballen nicht die Faust, sie gehen auf die Knie. Die Polizisten zeigen sich damit demütig, reuevoll, weil die Gefühle so vieler Schwarzer verletzt werden. Und sie protestieren zugleich gegen diese menschenverachtende Praxis. Damit beweisen sie Mut – eine kleine Geste mit großer Wirkung. 

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