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Antisemitismus und Kirche
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Antisemitismus und Kirche

Bettina Pawlik
Ein Beitrag von Bettina Pawlik, Katholische Gemeindereferentin im Ruhestand
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Bei einem Spaziergang durch die Stadt ist mir ein junges Pärchen begegnet. Es ist nicht nur mir besonders aufgefallen. Viele haben sich nach den beiden umgedreht. Der junge Mann hat ein kleines Käppchen auf dem Kopf getragen. Von einer Reise nach Israel wusste ich noch: Das ist eine Kippa. Der junge Mann oder auch beide waren also Juden.

Man sieht sie selten

Juden sieht man bei uns leider nicht mehr sehr oft, jedenfalls nur wenige mit der traditionellen Kopfbedeckung oder einer Kette mit dem Davidsstern um den Hals. Zum Glück gibt es heute wieder jüdische Gemeinden in Deutschland. Das Ende des 2. Weltkrieges war auch das Ende der Nazidiktatur. In dieser Zeit sind in Europa mehr als 60 Millionen Juden ermordet worden.

Juden leben seit 1700 Jahren in Deutschland

In diesem Jahr wird ein Jubiläum gefeiert. Seit 1700 Jahren leben Juden im Gebiet des heutigen Deutschland. Es bedrückt mich sehr, dass jüdische Menschen heute wieder vermehrt verfolgt und bedroht werden. Es gibt Anschläge auf Synagogen. In Berlin zum Beispiel werden im Jahr über tausend Angriffe auf jüdische Menschen registriert. Antisemitismus gibt es schon sehr lange, auch bei Christen.

"Ihr seid schuld an seinem Tod"

Ich habe in der Bibel einen Text gefunden, der könnte ein Grund dafür sein. In der Apostelgeschichte im 3. Kapitel hält der Apostel Petrus eine Predigt vor dem Tempel in Jerusalem. Er klagt die Bewohner von Jerusalem an: „Ihr seid schuld am Tod von Jesus“ (nach Apostelgeschichte 3, 15). Dabei war Jesus selbst ein Jude und auch viele seiner Jünger sind es Zeit ihres Lebens geblieben.

Umkehr nach Verfolgung der Juden über viele Jahrhunderte

Mich bedrückt es sehr, dass diese Bibelstelle nach der Trennung der Christen von den Juden eine verheerende Wirkung hatte. Über viele Jahrhunderte haben die christlichen Kirchen die Verfolgung der Juden betrieben. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die katholische Kirche selbst umgekehrt und hat bestätigt: Juden und Christen sind durch den Glauben an einen gemeinsamen Gott verbunden. Sie sind Kinder des einen Vaters im Himmel und ihre Verfolgung ist ein Unrecht (Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung „Nostra aetate“). Darum muss die Kirche, darum muss jeder Christ dem modernen Antisemitismus entschieden entgegentreten – im Gespräch mit Bekannten und auch in den sozialen Medien. Ich würde mich freuen, wieder mehr jüdischen Menschen in unseren Städten zu begegnen.

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