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Tobias-Bruderschaft – Würde des Menschen auch bei Bestattungen erhalten
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Tobias-Bruderschaft – Würde des Menschen auch bei Bestattungen erhalten

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Etwa 300 Menschen werden pro Jahr in Frankfurt ohne Angehörige bestattet. In anderen großen Städten werden die Zahlen ähnlich sein. Was früher eine Aufgabe der Öffentlichkeit und der Gemeinschaft war – die Beerdigung – , das wird heute zunehmend privatisiert. Und oft genug ist eben keiner mehr da, der sich verantwortlich fühlt, weder Familienangehörige noch Nachbarn. Das ist nicht nur bei Obdachlosen so. Familien driften auseinander, auch geographisch, der Freundeskreis stirbt weg, ältere Menschen vereinsamen. Das Sterben wird in Krankenhäuser verlagert und findet manchmal ebenso anonym statt wie das Begräbnis selbst.
In Göttingen haben sich deshalb vor ein paar Jahren zwanzig Männer aus allen möglichen Berufen zu einer evangelischen Bruderschaft zusammengetan. Sie wollen dem Trend entgegenwirken. Mittlerweile sind schon vierzig Männer in der sogenannten Tobias-Bruderschaft. Sie finden: „Menschen, die arm und einsam gelebt haben und gestorben sind, haben trotzdem das Recht, menschenwürdig unter die Erde zu kommen.“
Das christliche Begräbnis hat in den Anfängen des Christentums viel bedeutet. Manche Historiker meinen sogar: Die Art, wie die ersten Christen ihre Toten bestattet haben, war die wichtigste Werbung überhaupt. Die Menschen waren beeindruckt von der Würde des christlichen Begräbnisses und beschlossen für sich: „So will ich es später auch bei mir haben!“ Insofern stehen die Tobias-Brüder in uralter biblischer Tradition. Sie nehmen sich Tobias zum Vorbild, einen Mann aus der Bibel, der während einer Terrorherrschaft Hingerichtete bestattet hat, unter größter Gefahr für sich selbst.
Einmal alle drei Monate organisieren die Tobiasbrüder eine Andacht für die Verstorbenen ohne Angehörige, tragen die Urnen zum Grab und setzen sie bei. Vorher gibt es eine ordentliche Todesanzeige, wo alle Namen genannt werden. Außerdem läuten die Glocken aller Innenstadt-Kirchen in Göttingen.
Das gut durchdachte Konzept hat schon Nachahmer in anderen Städten gefunden.
Bei den Trauerfeiern gehen die Tobiasbrüder über die Grenzen von Konfession und Religion hinaus. Auch Nicht-Christen und Ausgetretene werden bestattet. Wo immer die Brüder gebeten werden, sich eines Verstorbenen in ihren Abschiedsgottesdiensten anzunehmen, entsprechen sie dieser Bitte.
Ich finde, das ist richtig so. Ich bin mir sicher: Bei Gott wird niemand vergessen. Gott hat ganz andere Maßstäbe und fällt ganz andere Urteile, als Menschen das tun. Wer bin ich denn, dass ich über die Gottesnähe oder Gottesferne von anderen Menschen urteilen könnte? Ich bin auch sicher: Einsamkeit und Mittellosigkeit sind oft nicht selbst verschuldet. Ich finde, ich muss zuerst die Not dieser Menschen sehen.
Einer der Tobiasbrüder sagt dazu: „Wo immer die Not am größten ist, da muss Kirche sein.“

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