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Seine Lilie auf dem Feld
Bild: Couleur/Pixabay

Seine Lilie auf dem Feld

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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Es ist ihr Hochzeitstag heute. Jedenfalls gefühlt. Kennengelernt haben sie sich vor genau fünfundzwanzig Jahren, am Fastnachtsdienstag. Sie hatten Kostüme an und waren geschminkt. Erkennen konnten sie einander nicht. Aber ihre Stimme.

Ihre Stimme betörte ihn

Die betörte ihn, wie er das nennt. Sie sprach ruhig, trotz Lärm um sie herum. Und sie sprach warm. Das ist das richtige Wort, sagt er bis heute. Ihre warme Stimme, als ihm kalt war. Innerlich kalt. Er war eigentlich nur zum Feiern gekommen, weil er nichts Besseres vorhatte und noch ein Kostüm im Schrank war. Lust hatte er keine, aber Zeit. Dann gehe ich feiern, sagte er sich. Und traf ihre warme Stimme. Bald merkte er, dass sie ihn auch mochte. Offenbar stellte er gute Fragen. Weil er sich zu ihr hingezogen fühlte. Selbst noch Tage danach. Und dann viele Jahre.

Heute feiern sie ihre Liebe-mit Kostüm und Schminke

Das feiern sie heute ein bisschen. Wieder mit Kostüm und Schminke. Und ihrer warmen Stimme. Es ist einiges passiert in fünfundzwanzig Jahre. Das Übliche in einer Ehe. Es gab Krisen, aber keine Gefahr. Sie waren sich zu wichtig. Und mussten sich um manches sorgen. Vor allem bei den alten Eltern. Da war sie ein Glück.

Sie hat noch im Schmerz die Kraft zum Guten

Sie hatte die Ruhe weg, wie man so sagt. Unaufgeregt, und doch herzlich. Das hat er ihr damals gesagt, als seine Mutter beerdigt wurde. Da sagt er zu ihr: Darum liebe ich Dich auch: Du hast sogar im Schmerz noch die Kraft zum Guten. Sie wurde ein bisschen rot, als er das sagte. Sie sprachen nicht weiter darüber. Beide wussten, dass er Recht hatte. Sie hatte einfach immer Kraft übrig zum Guten. Auch wenn es ihr selber nicht so gut ging.

Sie vertraute sich und Gott

Sie vertraute sich, einerseits. Meistens wusste sie, was sie kann. Andererseits vertraute sie, dass ihr geholfen wird. Dass ihr auch Kraft gegeben wird. Sie redete kaum darüber. Er wusste aber, dass sie still betet. Immer wieder mal ein bisschen. Sie sagt dann leise "Danke" oder "Bitte"; einfach, damit ihr das Herz leichter würde. Mehr war ihr Beten nicht. Ein sich Vertrauen - und ein sich Anvertrauen. Beides zugleich. Sie kam ihm dann manchmal vor wie seine Lilie auf dem Feld. Das ihr Mögliche tun; das andere Gott überlassen. Dafür liebte er sie. Seit damals, Fastnachtsdienstag.

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