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Nimm das Leben sportlich

Nimm das Leben sportlich

Uwe Groß
Ein Beitrag von Uwe Groß, Katholischer Diakon, Pfarrei St. Peter und Paul, Wiesbaden
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2020 ist wieder ein Jahr der großen Sportereignisse. Im Juni beginnt die Fußballeuropameisterschaft, und im Juli starten die Olympischen Sommerspiele in Tokio. Ich freue mich schon darauf, und vermutlich sammelt mein Sohn in froher Erwartung  der Europameisterschaft auch wieder Bilder für sein Fußballalbum.

Mit Blick auf die tollen Sportereignisse kam mir ein Gebet für den Sport aus unserem katholischen Gesangbuch in den Sinn. Dort heißt es:

„Gott, ich danke dir für die Freude an Sport und Spiel. Ich danke dir für die Kameradschaft und die Freundschaft, die ich dabei erlebe. Hilf mir, auch im Gegner beim Wettkampf den Freund zu sehen. Lass mich im Sieg nicht überheblich werden und in der Niederlage nicht verzagen.“

Ich finde, das gilt nicht nur im Sport, sondern fürs ganze Leben: Ich soll im Wettkampfgegner den Menschen - ja sogar den Freund sehen. Montags nachmittags spiele ich manchmal Fußball in einer Freizeitmannschaft. Für eine Stunde bolzen wir rum. Nachher gehen wir in die Kneipe und trinken einen. Die Gemeinschaft steht im Vordergrund. Und auch beim Fußballspiel davor geht niemand so brachial an den Ball ran, dass ein anderer Spieler verletzt wird. Das geschieht vielleicht mal aus Versehen. Aber das will eigentlich keiner.

Im Wettkampfgegner den Menschen, den Freund sehen: Ich kann das auch in mein Leben übertragen. Es gibt immer Menschen, mit denen ich mich schwer tue: bei meinen Kollegen und sogar in der eigenen Familie. Manches an Beleidigung und vielleicht sogar an zerbrochener Beziehung steht zwischen uns. Es liegt aber an mir, wie ich damit umgehe. Ich muss nicht über einen anderen schlecht reden, ich muss nicht Gräben vertiefen, ich muss nicht dem anderen das Leben noch schwerer machen.

Es liegt an mir. Es liegt an mir, ob ich Spannungen und Trennendes aushalten kann oder ob ich meine, immer im Recht zu sein. Wenn es ums Recht haben geht, dann geht‘s ums gewinnen, dann geht es darum, den Anderen zu besiegen und besser da zu stehen als der andere.

Wenn es aber darum geht im anderen den Menschen, vielleicht sogar noch den Freund zu sehen, dann wähle ich den Weg der Toleranz, was in erster Linie „ertragen“ heißt. Das Gebet über den Sport geht weiter: „Lass mich im Sieg nicht überheblich werden und in der Niederlage nicht verzagen.“

Ich kenne das vom Fußballspielen: Wenn ich ein Tor schieße, freue ich mich einfach und jubele so ähnlich, wie das die Stars im Fernsehen vormachen. Wenn ich allerdings merke, dass die andere Mannschaft total unterlegen ist, koste ich so einen Sieg nicht aus. Und darum geht es mir auch im Leben:

Wenn mir Dinge beruflich und privat gut gelingen, freue ich mich darüber, und weil ich an Gott glaube, danke ich ihm auch dafür, dass es so ist. Aber ich weiß auch: Das Leben kann anders kommen, es gibt Zeiten, in denen nicht alles rundläuft und in denen ich nicht der Sieger bin. Und dieses Wissen hält mich auf dem Boden. Auch die andere Erfahrung ist wichtig: „Herr lass mich in der Niederlage nicht verzagen“: Wenn es Krisen in meinem Leben gegeben hat, war ich auch immer in Gefahr zu denken: „Oh Mann, warum hab ich denn so ein Pech und komme ich da überhaupt nochmal raus?“

Aber die Erfahrung hat mir bisher immer gezeigt:  Auch nach schweren Lebensphasen kommen wieder bessere. Darum habe ich mir angewöhnt, und gerade in den schwierigen Phasen meines Lebens, mir vor Augen zu führen: Was ist noch schön und liebenswert in meinem Leben - trotz der Krise? Und da gibt es immer etwas, wofür ich Gott danken will.

Das Leben sportlich sehen: im anderen den Menschen sehen und nicht nur den Gegner. Im Erfolg nicht den Kopf verlieren und dem Siegesrausch verfallen, und in der Niederlage die Nerven bewahren und weitermachen. Das sind für mich wahre sportliche und lebenstaugliche Tugenden.

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