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Luther kommt nach Worms
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Luther kommt nach Worms

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Es war ein typischer Aprilmorgen: feucht, kalt und etwas neblig. An diesem ungemütlichen Morgen traf Martin Luther in Worms ein. Es war der 16. April 1521, heute vor genau 500 Jahren. In Worms tagte der Reichstag, eine Art Parlament, das die Politik des Kaisers kontrollieren sollte. Ein gewaltiges Gremium, zu dem mehr als 200 Gesandte gehörten: Fürsten, Grafen und Diplomaten.

Der Reichstag in Worms

Die Sitzungen dauerten zwei Monate und man hatte viel zu erledigen: Fragen zu den Finanzen standen auf der Tagesordnung und die Außenpolitik. Immerhin war die Bedrohung der Grenzen durch das osmanische Heer akut. Und dann auch noch der Streit um die 95 Thesen, die Martin Luther verbreitet hatte.

Eine kleine Sensation: Martin Luther, der unbedeutende Mönch aus Wittenberg war eingeladen worden

Eigentlich war es schon eine kleine Sensation, dass der unbedeutende Mönch aus Wittenberg überhaupt eingeladen worden war. Der Kurfürst von Sachsen hatte dafür gesorgt, dass er seine Thesen noch einmal erläutern durfte. Immerhin: Man wollte nicht über Luther urteilen, ohne ihn vorher angehört zu haben. Das war schon mal eine gute Grundlage.

Viel stand auf dem Spiel – nicht zuletzt sein Leben

Und doch kann ich mir vorstellen, wie sich Luther an diesem Morgen gefühlt haben mag. Mit flauen Gefühlen im Bauch und viel Zweifel im Kopf erreichte er Worms. Man spricht ja nicht alle Tage vor dem Parlament. Und nun lag alles an ihm, wie sollte er sich entscheiden? Viel stand auf dem Spiel – nicht zuletzt sein Leben.

Luther weigert sich, seine Thesen zu widerrufen

Ein Detail an dieser Situation ist für mich immer noch von Bedeutung: Als Luther vor den Abgeordneten steht, weigert er sich, seine Thesen gegen den Machtmissbrauch der Kirche zu widerrufen. Diese Entschlossenheit ist an sich schon imponierend. Aber viel beeindruckender finde ich seine Argumentation. Er nehme nichts zurück, sagt Luther, es sei denn, man könnte ihn mit Argumenten aus der Bibel oder aus Vernunftgründen widerlegen. Auf die Verbindung kommt es an: Vernunft und die Bibel, auf beides ist zu achten. Nicht hier die Bibel und dort der Verstand, nicht hier die Theologie und dort die Naturwissenschaft, auf der einen Seite der Kopf auf der anderen das Herz.

Die einfache Weltsicht täuscht

In einer Welt der dualistischen Alternativen lebt es sich einfach, weil Probleme so schön einsortiert werden können. Aber diese einfache Weltsicht täuscht, auch die Gegenüberstellung der Guten auf der einen und der Bösen auf der anderen Seite geht an der Wirklichkeit vorbei. Menschen sind in der Regel nicht weiß wie Engel oder schwarz wie Teufel, sondern grau wie Esel.

Wahrheit lässt sich nicht eindimensional erschließen

Luther hat damals erkannt: Wahrheit lässt sich nicht eindimensional erschließen. Deshalb wendet er sich in Worms an beide Zielgruppen: An die Vertreter der Kirche wie an die Landesfürsten. Er will das Herz der Politiker und den Verstand der Geistlichen erreichen. Verstand und Glaube gehören zusammen - Auch das ist ein bleibendes Prinzip der Reformation. Früher richtete sich dieser Appell in erster Linie an den Verstand, heute müssten wir wahrscheinlich eher den Glauben stärken.

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