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Lass die Bedenkenträger ihre Bedenken tragen und mach weiter
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Lass die Bedenkenträger ihre Bedenken tragen und mach weiter

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

An der Wand in meinem Büro hängt eine Postkarte mit dem Spruch: „Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht; er hat’s einfach gemacht.“ Dieser Satz trägt eine Botschaft weiter, die ich mag. Sie lautet: Mach nicht aus allem ein Problem. Mach nicht alles komplizierter, als es ist. Sag nicht vorschnell: Ja und aber, einerseits – andererseits, sowohl als auch, hüh und hott. Das führt nur zu dem Schluss: Das geht nicht.

Jesus muss diese Situation vor Augen gehabt haben, als er in der Bergpredigt gesagt hat: Wenn du von etwas überzeugt bist, dann sag: Ja, ja oder nein, nein – was darüber ist, das ist von Übel. (Matthäus 5,37) Wenn du von etwas überzeugt bist, dann sag dazu Ja, und tu es auch. Was du wirklich willst, das mach auch. Das ist keine philosophische Erkenntnis. Das ist eine ganz einfache Lebensweisheit. Die habe ich von meiner Mutter und von meiner Großmutter gelernt. Manchmal, wenn ich Mut genug habe, handle ich danach.

Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht. Wir haben das vor fünf Jahren probiert. Da haben sich ein paar Leute in unserem Dorf zusammengesetzt. Sie haben darüber diskutiert, wie es den alten Menschen im Dorf geht. Die wollen alle in ihren vier Wänden, in der vertrauten Nachbarschaft, im Dorf bleiben, solange es geht, und nicht in ein Altersheim. Doch wie lange geht das gut – alleine in einer viel zu großen Wohnung oder in einem alten Bauernhaus mit vielen Etagen und Treppen? Dazu die Angst: Wenn ich hinfalle und mir etwas breche, komme ich ins Krankenhaus, in die Reha, ins Altersheim und irgendwann auf den heimischen Friedhof zurück.

Wir wollen das nicht – im Gegenteil: Wir wollen, dass die alten Menschen in unserem Dorf bleiben. Leben und sterben, wo ich daheim bin, lautet unsere Philosophie. Wie soll das gehen, haben wir uns gefragt. Wer kann alte Menschen in ihren oft viel zu großen Wohnungen, die nicht altersgerecht und barrierefrei sind, unterstützen, damit sie dort bleiben können. Und wenn jemand raus will aus seiner altersfeindlichen Wohnung und Einsamkeit – wo soll der denn hin? Da bleibt nur das Altersheim; etwas anderes geht nicht.

Wenn wir aber einen Platz im Dorf hätten, an dem sich die alten und manchmal vereinsamten Menschen treffen können, wo ein Arzt hinkommt, der sie betreut. Das könnte doch gehen? Alle sagten: Das geht nicht. Bedenkenträger gab es genug. Und jetzt probieren wir es doch. Die Gruppe, von der ich geredet habe, hat sich zu einem Verein zusammengeschlossen. Der hat leer stehende Häuser im Dorfkern gekauft. Die bauen wir gerade aus – zu einer Tagesbetreuung für alte Menschen, zu einem Dorfladen, den jeder zu Fuß erreichen kann, wo ein Arzt Sprechstunden hält, wo alte Menschen zusammen sein können beim Kochen und Essen, Singen und Schwätzen.

Alle sagten, das geht nicht? Wir probieren es; und ich glaube, es geht! Freilich sind die Hindernisse hoch: Wer kauft die Häuser? Wer ist Rechtsträger des Projektes? Wie ist alles versichert, wenn da was passiert? Woher kommen notwendige Fördergelder, die zugewiesen, abgerechnet, kontrolliert und belegt sein müssen? Bei uns sind etwa zwanzig Prüfer und Sachverständige, Behörden und Kontrolleure beteiligt. Wie Bürokratie das Leben lähmen kann, das weiß ich inzwischen ziemlich gut. Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht; der hat’s einfach gemacht.

Ich bin froh, dass ich Menschen gefunden habe, die mit Humor und Nachhaltigkeit zugesagt haben und bis heute mitmachen. Was sollen wir nun mit all den Bedenkenträgern tun? Wir lassen sie ihre Bedenken tragen und machen weiter!

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