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Das Unwort des Jahres heißt "Gutmensch"
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Das Unwort des Jahres heißt "Gutmensch"

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Ja, es ist ein Unwort: Gutmensch. Vor allem die, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge eingesetzt haben, die also etwas sehr Gutes getan haben und tun, werden von anderen als „Gutmenschen“ bezeichnet und damit lächerlich gemacht. Aber warum macht man das? Einer, der in der Jury für die Auswahl des Unwortes des Jahres mit dabei war, war der Kabarettist Georg Schramm. Er erklärt das so: „Beim längeren Nachdenken bin ich darauf gekommen, dass die Gutmensch-Diffamierung vielleicht damit zu tun hat, dass die Konfrontation mit Leuten, die so etwas tun, wie Flüchtlingen zu helfen, einen innerlich in Zugzwang bringen.“

Was Schramm sagt, leuchtet mir ein: Alle wissen, es ist gut zu helfen; heimatlose Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen, ist das, was die Bibel Nächstenliebe nennt. Den Impuls aber, selbst was zu tun, hält man sich lieber vom Leib. Zu viel Empathie, also zu viel Mitgefühl, könnte am Ende für einen selbst unbequem werden. „Empathie darf nicht zu weit gehen.“ So hat ein Firmensprecher begründet, warum zum Jahresende in Marburg die Leiterin einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge entlassen worden ist. Sie hatte sich einfühlsam um die Menschen in der Einrichtung gekümmert. Die Betreiberfirma der Erstaufnahmeeinrichtung begründet ihre Entlassung so, als hätte man einen „Gutmenschen“ loswerden wollen: die Frau wäre zu einfühlsam gewesen.

„Gutmenschen“ werden nicht nur als naiv beschimpft. Sie stören offensichtlich auch den laufenden Betrieb. „Empathie darf nicht zu weit gehen“ – das klingt schon wie eine Drohung. Vielleicht sollten sich die „Gutmenschen“, die mit ihrem Mitgefühl „zu weit“ gehen, an die Seite der Autorin Amelie Fried stellen. Die hat mal gesagt: „Ich bin ein Gutmensch. Soll heißen, jemand, der naiv genug ist, sich nicht mit der Realität abzufinden.“

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