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Aufbewahrt für die (gefühlte) Ewigkeit
Bild: anncapictures_pixabay

Aufbewahrt für die (gefühlte) Ewigkeit

Andrea Maschke
Ein Beitrag von Andrea Maschke, Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf
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Dem Frankfurter Dom gegenüber auf der anderen Mainseite, also dribbdebach in Sachsenhausen, steht die Dreikönigskirche. Der Turm dieser evangelischen Kirche ist zur Zeit eingerüstet. In der Zeitung habe ich gelesen, wie aufwändig es war, das schwere Kreuz, in Einzelteile zerlegt, vom Turmdach zu holen.

Erinnerungsstücke für die Nachwelt

Die Turmkugel unter dem Kreuz ließ sich öffnen. Drinnen waren zwei Kästchen, so genannte Zeitkapseln, in einer davon fand u.a. man Münzen und einen kleinen Behälter mit einer gelblichen Flüssigkeit. Damals, als die Kirche vor ungefähr 140 Jahren fertiggestellt wurde, hatte man diese Erinnerungsstücke für die Nachwelt in der Turmkugel deponiert. Jetzt muss in einer chemischen Analyse noch herausgefunden werden, ob es sich bei der Flüssigkeit um Mainwasser handelt oder doch um Apfelwein - oder noch was ganz anderes. Spannend. Ich weiß nicht, welche Dokumente und Erinnerungsstücke die Menschen damals, um 1880, noch für die Nachwelt in die Kästchen gelegt haben, was ihnen wichtig erschien.

Etwas, das von unserem Leben erzählt

Auch heute werden bei Neubauten von öffentlichen Gebäuden oft Zeitungen oder Münzen in einer Kapsel mit eingemauert, manchmal auch Fotografien oder kleine typische Gegenstände. Ich stelle mir vor: Ein Smartphone der neuesten Generation, das als Symbol unserer Digitalität vielleicht in so einer Zeitkapsel landet, wäre, wenn es gefunden wird, wohl ein Fall fürs Museum. Ein Stick, auf dem sich ja sehr viele Dokumente in digitaler Form speichern lassen, wäre beim Auffinden vielleicht gar nicht mehr lesbar. Dann schon lieber Fotos, Zeitungen, Landkarten – oder auch ganz persönliche Gegenstände, die etwas von unserem Leben erzählen.

Was würde ich für dieses Schatzkästchen auswählen?

Vor ein paar Tagen wurde in Frankfurt eine neue Kirche geweiht, St. Johannes in Goldstein. So eine Weihe ist ein sehr seltenes Ereignis, werden doch derzeit eher Kirchengebäude abgerissen oder umgewidmet. Ich habe mir den Festgottesdienst im Internet angesehen. Und ich musste an eine Aktion vom letzten Herbst denken, die mich schwer beeindruckt hat, als ich den Bericht darüber las: Die Menschen dieser Gemeinde konnten ganz persönliche Erinnerungsstücke abgeben, die ihnen wichtig waren, religiöse wie weltliche. Die wurden in neun Holzkästchen verpackt und in einem Gottesdienst in den frisch gegossenen Altar der Kirche gelegt. So wie die Heiligenreliquien, die in jede katholische Kirche gehören. Dann wurde alles mit Beton verschlossen. Ich habe mich direkt gefragt, was ich wohl ausgewählt hätte für dieses Schatzkästchen.

Frohe, traurige und wehmütige Geschichten

In dem Gottesdienst hat die Gemeindereferentin die Menschen eingeladen, von den Dingen, die in den Altar gelegt wurden, zu erzählen. Und die Menschen haben geteilt, was sie mit den persönlichen Stücken verbinden, frohe, traurige und wehmütige Geschichten, Geschichten aus dem Leben. Auch eine Corona-Maske war dabei, die an die letzte schwierige Zeit erinnern sollte.

Wie durch ein Band mit dieser Kirche verbunden

Und all diese Erlebnisse und Erinnerungen sind nun irgendwie dabei, wenn an diesem Altar Gottesdienst gefeiert, gebetet und das Brot geteilt wird. Wie mit einem unsichtbaren Band sind die Menschen durch ihre Gaben mit dieser Kirche verbunden. Wer weiß, ob und wann in sehr ferner Zukunft diese Stücke dann von den Ur- oder den Ururenkelinnen und -enkeln wieder entdeckt werden.

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