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Warme Gedanken

Warme Gedanken

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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Ich liebe es einfach, wenn es im Winter so richtig schön knackig kalt ist! Wenn dann noch Sonne dazu kommt und blauer Himmel, dann geht mein Herz auf. Leider ist der Winter nicht immer so, sondern oft auch grau, trüb, regnerisch, matschig und unbehaglich. Dazu kommt dann oft noch die vorweihnachtliche Hektik: Geschenke besorgen, an alles denken, Familienbesuche organisieren und so weiter.

Aber gerade an solchen Tagen finde ich es wunderbar, es mir einfach mal so richtig gemütlich zu machen. Mit einer Tasse Tee, einem guten Buch und einem knisternden Kaminfeuer, eingekuschelt auf der Couch. „Wie, Kaminfeuer?“, werden jetzt erstaunt zumindest die denken, die mich und unser Haus kennen. Wir haben nämlich gar keinen Kamin. Aber: wir haben einen Fernseher. Und seit ein paar Wochen lasse ich dort regelmäßig ein Video ablaufen, in dem über eine Stunde lang einfach nur ein Buchenholzfeuer im Kaminofen runterbrennt. Da ist keine Musik dabei oder irgendetwas. Es lodert, flackert, knistert einfach nur, manchmal pfeift das verbrennende Holz sogar ganz leise, so wie in echt. Es hört sich vielleicht etwas verrückt an, aber ich hab wirklich das Gefühl: dieses virtuelle Feuer wärmt mich!

Ich finde das total verblüffend: Nur weil ich denke, es wäre ein Feuer da, reagiert mein Körper mit wohligem Behagen und fühlt sich gewärmt. Dazu fällt mir ein etwas seltsames Experiment ein, das Forscher gemacht haben, um der Kraft der Gedanken auf die Spur zu kommen. Sie haben den Versuchsteilnehmern die Augen verbunden und ihnen erzählt, sie würden ihre Hand in einen Eimer mit heißem Wasser tauchen. In Wirklichkeit war das Wasser eiskalt – aber die meisten hatten das Gefühl, sich mit dem heißen Wasser zu verbrühen. Und das Verrückteste: bei manchen bildete die Haut sogar Blasen, weil sie fest davon überzeugt waren, sich verbrannt zu haben. Das ist natürlich ziemlich drastisch. Aber es zeigt, wie stark unser Denken Einfluss auf unseren Körper hat - und zwar nicht nur in die positive Richtung. Wenn ich mir etwas Schlimmes vorstelle, ist das für meinen Körper unter Umständen genau so, als wäre es wirklich passiert. Das meint wahrscheinlich dieser bekannte Ausspruch, der mit dem Satz anfängt: „Achte auf Deine Gedanken.“  

Ich kenne das auch aus anderen, ganz alltäglichen Situationen: Wenn ich auf dem Weihnachtsmarkt am Glühweinstand stehe und friere, krieg ich immer mal wieder gesagt: „Mach dir doch warme Gedanken!“. Wenn ich mich dann richtig konzentriere, hilft das auch.

Das Experiment der Forscher und mein virtuelles, aber doch wärmendes Kaminfeuer zeigen mir: Da muss wirklich was dran sein: Meine Gedanken haben direkten Einfluss auf mein körperliches Befinden. Warme Gedanken machen ein warmes Gefühl – und zwar an Leib und Seele.

Das passiert in der Adventszeit übrigens öfter, dass mir ganz warm ums Herz wird – und zwar nicht nur durch meinen virtuellen Kamin oder unsere ganz reale gut funktionierende Heizung, sondern durch ganz bestimmte Texte und Lieder. Wenn wir zum Beispiel mit den Kindern sonntags morgens die nächste Kerze am Adventskranz anzünden und zusammen „Wir sagen euch an den lieben Advent“ singen, spüre ich diese vorweihnachtliche Wärme im ganzen Körper. Da macht sich in mir Dankbarkeit breit über diesen harmonischen, fast schon kitschigen Moment, manchmal kommen mir vor Rührung sogar fast die Tränen. Ich spüre aber auch eine kribbelige Vorfreude auf die „Nacht der Nächte“, auf Weihnachten – und diese Vorfreude fühlt sich so richtig schön warm und hell an.

Heute, am dritten Adventssonntag, hat diese Vorfreude in den katholischen Kirchen übrigens einen besonderen Platz: „Gaudete!“ heißt es da gleich zu Beginn im lateinischen Eröffnungsvers der Messfeier. Das heißt nichts anderes als „Freut Euch!“ – ein Zitat aus der Bibel (Phil 4,4-5), das mehrfach wiederholt wird. Mancherorts kleiden sich die Priester an diesem Tag sogar in rosafarbene Messgewänder, um die eigentliche liturgische Farbe des Advents, violett, sozusagen etwas aufzuhellen. So wird die Vorfreude auf die Geburt Jesu auch nach außen hin sichtbar und wirkt dadurch auch irgendwie „ansteckend“ – auf mich jedenfalls. Ich lasse mich gerne entzünden von dieser besonderen Freude und merke auch da, wie es in mir hell und warm wird.

Außer diesen kirchlichen Liedern und Texten gibt es für mich noch einige andere Wärmequellen im Advent, und zwar ganz profane. Zum Beispiel Spekulatius und Lebkuchen. Zum Beispiel der Film „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ – wenn ich allein nur an die Musik dazu denke, wird mir schon ganz warm ums Herz. Oder zum Beispiel auch die Lichterketten in den Straßen der Stadt. All diese Dinge strahlen physikalisch gesehen keine oder zumindest nicht viel Wärme ab. Trotzdem geht es mir damit wie mit dem Kaminfeuer im Fernseher: mir wird ganz wohlig und warm dadurch.

Natürlich kann ich auch selbst zu einer wunderbaren Wärmequelle werden. Ich kann nämlich Wärme weitergeben, Wärme ausstrahlen - und das ist sogar relativ unaufwändig. Ich kann zum Beispiel meinem Nachbarn etwas Nettes sagen, meinem Partner aufmerksam zuhören und mit meinen Gedanken mal ganz bei ihm sein, oder ich kann einem fremden Menschen einfach mal ein Lächeln schenken. All das kann einen ähnlichen Effekt haben wie eine wärmende Umarmung. Ich strahle dann eine spürbare Wärme aus, und die tut allen gut.

So durch die Welt zu gehen, so barmherzig, freundlich und großzügig - das hat für mich auch besonders mit Advent und mit Weihnachten zu tun. Biblisch könnte man dieses Freundlichsein, dieses Wärme-Schenken auch übersetzen mit „Güte“. Gütig zu sein - darum geht es für mich in der Vorweihnachtszeit. Ich will einüben, so zu leben, wie Jesus gelebt hat. Ich glaube, das ist auch die Art, wie Gott zu uns ist: „Barmherzig, langmütig, reich an Güte“ (Psalm 103,8), wie es in der Bibel heißt.

Diese Wärme und diese Güte tun so gut - die will ich gar nicht für mich alleine behalten, sondern sie ausstrahlen, weitergeben. Vielleicht mache ich es dieses Jahr so, dass ich beim Schreiben der Weihnachtskarten überlege: Welcher Gedanke würde es diesem Menschen jetzt warm ums Herz werden lassen? Wenn mir nichts einfällt, kann ich immer noch mal einen Blick in die Bibel werfen und nach Zitaten suchen. Und dann setze ich mich mit einer Tasse Tee vor meinen virtuellen Kamin und genieße den Advent, denn: warme Gedanken tun einfach gut!

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