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Von der Rettung der Welt
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Von der Rettung der Welt

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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Nichts geht ohne Alkohol. Seit Jahrzehnten schon. Das glaubt er selber, der amerikanische Schriftsteller William Faulkner (1897 - 1962). Er braucht solchen Nebel im Kopf, meint er, aus dem dann die Ideen hervorkriechen. Viele Romane, Erzählungen. Viel Alkohol und Entziehungskuren. Seinen Ruhm mag er nicht. Geht auch nicht gerne unter Leute, die er nicht sehr gut kennt. Der Ruhm kommt aber. Faulkner erhält 1950 den Literaturnobelpreis. Erst will er den nicht abholen. Fühlt sich nicht sicher auf den Beinen, wegen Alkohol. Und fürchtet das fremde Land und fremde Leute. Jetzt trinkt er aus Angst. Seine Tochter überredet ihn. Gemeinsam fahren sie nach Stockholm. Dort muss er reden. Tagelang feilt er im Hotel an seinen Worten. Trinkt lieber wenig. Und sagt dann Worte, die immer noch eine Wucht sind, bis heute. Er sagt: Ich will keine Angst haben; Angst macht mich doch nur erbärmlich…

Ich glaube, der Mensch wird nicht nur überleben, er wird siegen. Der Mensch ist unsterblich, nicht, weil er allein unter den Geschöpfen eine unermüdliche Stimme   hat, sondern weil er eine Seele, einen Geist hat - und fähig ist zu Mitleid und Opfer und Ausdauer.

Das sind goldene Worte, auch nach über sechzig Jahren noch. Der Mensch bleibt immer etwas Besonderes. Er ist ein großer Zerstörer, einerseits; bestimmt der größte in der Schöpfung Gottes. Aber er kann mehr, der Mensch, andererseits. Er kann mitfühlen. Was für ein Geschenk Gottes.  Ein Herz kann nicht nur für sich selber schlagen, auch für andere. Ich kann, bei aller eigenen Not, auch noch erkennen, was andere bedrückt. Ich spüre, auch wenn ich wie im Nebel lebe, noch die Furcht anderer. Und merke, wie wir aufeinander angewiesen sind. Wie einer allein sich zwar retten kann, aber doch nicht auf Kosten anderer. Mit sich fühlen kann jeder, das ist keine Kunst. Aber dann noch die anderen sehen, die sich mit dem Leben plagen, das ist der Anfang der Zuversicht. Nicht nur für die beiden. Für die ganze Welt. Wenn nur einer merkt, dass er allein nichts rettet, wächst die Angst. Ich bin ja nicht gerettet, wenn andere neben mir untergehen. Wenn das nur einer erkennt, wird die Welt besser. Besiegt man die Angst. Hand in Hand sozusagen besiegt man die Angst. Der Mensch ist Krone, weil er um sich blicken kann; mehr sieht als nur sich. Weil er Zusammenhänge fühlt. Einer heißt: Wer sich rettet, rettet nur sich. Wer sich und einen anderen rettet, beginnt in diesem Augenblick mit der Rettung der Welt.

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