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Umziehen macht frei
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Umziehen macht frei

Pia Arnold-Rammé
Ein Beitrag von Pia Arnold-Rammé, Katholische Pastoralreferentin, Referentin für Sozialpastoral, Frankfurt
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Ende des Monats ziehe ich um, nach 26 Jahren in dieser Wohnung. Da hat sich allerlei angesammelt. Nicht nur in der Wohnung selbst, auch im ziemlich großen Keller. Momentan geht es ums Sichten und Aussortieren. Und das geht langsamer voran als gedacht. Vieles muss weggeworfen werden, das ist schon klar. Aber bevor ich es wegwerfe, nehme ich alles zur Hand. Und da gibt es viel zu entdecken, von dessen Existenz ich schon gar nichts mehr wusste. Da ist z.B. mein alter Schulranzen aus der Grundschule, mit Heften drin und meinem ersten Lesebuch. Und das muss ich mir dann einfach ansehen und freue mich über meine guten Noten in der ersten Klasse! Oder eine Kiste mit Briefen aus den 80er Jahren, die ich - warum auch immer - aufgehoben habe. Soll ich die jetzt alle nochmal lesen? Das dauert ja Stunden. Erstmal neben hin stellen. Und so arbeite ich mich durch den Keller und lebe faktisch in meiner Vergangenheit. Das hat auch was Besinnliches, Nachdenkliches, aber irgendwie hindert es mich, bei der Umzugsvorbereitung voranzukommen.

Da lese ich etwas Interessantes über den Schriftsteller Michael Rutschky: der hat zwei Jahre lang jeden Werktag einen Gegenstand aus seiner Wohnung in die Hand genommen, hat ihn noch einmal genau angesehen - und dann weggeworfen. Aber er hat alles fotografiert und darüber geschrieben. Das wurde dann sogar in der Wochenzeitung „Die ZEIT“ veröffentlicht. Die Idee dazu war ihm wohl in einer Sektlaune gekommen: Gelingt es mir, Abschied von den Zeugen meines Lebensweges zu nehmen?

Irgendwie komme ich mir gerade vor wie dieser Schriftsteller. Nur habe ich keine zwei Jahre Zeit, sondern lediglich 4 Wochen. Da kann ich gar nicht so viel Zeit auf jeden einzelnen Gegenstand verwenden. Aber die Idee finde ich trotzdem gut: ich schaue mir die Gegenstände, die in einer bestimmten Zeit meines Lebens wichtig waren, noch einmal genau an. Ich erinnere mich an die Geschichten, an die Menschen, die damit verbunden sind. Und dann verabschiede ich mich von den Gegenständen und werfe sie weg. Das ist manchmal nicht so einfach, aber notwendig. Und eigentlich fühle ich mich richtig befreit nach diesen Aufräumaktionen. Ich verkleinere meinen Hausstand deutlich und das ist gut und richtig so. Was bleibt, sind die Erinnerungen und Geschichten zu den Gegenständen. Die nehme ich sozusagen im Herzen mit in die neue Wohnung.

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