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Umwege, die lohnen
Bild: David Mark/Pixabay

Umwege, die lohnen

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel
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Hannes lernt sämtliche Zugverbindungen auswendig. Möchte man wissen, wie man am schnellsten von Stuttgart nach Neapel kommt, braucht man nur Hannes zu fragen. 8:29 Uhr ab Stuttgart über Zürich und Lugano bis Mailand. Weiterfahrt um 16:00 Uhr von Mailand nach Rom. Ankunft in Rom um 19:10 Uhr und um 19:35 Uhr von dort weiter. Um 20:48 Uhr erreicht man dann das Ziel: Hauptbahnhof Neapel.

Hannes auf dem Weg zum Kursbuchspezialistenwettbewerb

Weil Zugverbindungen Hannes Steckenpferd sind, nimmt er am Wettbewerb der Kursbuchspezialisten teil. Der Wettbewerb findet auf der finnischen Insel Inari statt. Auf seiner Fahrt von Dortmund nach Inari lernt er Sirpa kennen. Das verändert sein Leben. "Welche Route er fahren wolle?", fragt sie. Als Hannes es ihr erzählt, sagt sie: "Ja, das ist die schnellste Route. Da haben Sie recht. Doch ich bevorzuge die Route an den Seen entlang und durch die Hochebene. Die ist zwar länger, aber viel schöner".

Hannes wählt eine länger Route - Sirpa zuliebe

Hannes kämpft mit sich. Wegen des Wettbewerbs sollte er die schnelle Strecke fahren. Wegen der schönen Landschaft und wegen der schönen Sirpa entscheidet er sich jedoch für den Umweg.

Und auf diesem Umweg verlieben sich Sirpa und Hannes ineinander – jedoch wagt keiner, es auszusprechen. Aber Sirpa beschließt, Hannes zum Wettbewerb zu begleiten.

Die letzte Wettbewerbsfrage ist ein Geschenk

Auf Inari siegt Hannes im Wettbewerb der Kursbuchspezialisten Runde um Runde. Schließlich sind nur noch er und eine Frau aus Kanada im Rennen. Die allerletzte Frage ist ein Geschenk. Hannes und seine Gegnerin werden nach der schnellsten Verbindung von Dortmund nach Inari gefragt. Diese Strecke hat Hannes gerade zurückgelegt. Ein Kinderspiel!

In Umwegen liegen Chancen

Seine Gegnerin schreibt die kürzeste Verbindung auf. Auch er tut das bis zu einem bestimmten Punkt. Mit einem Lächeln schreibt er den Umweg an den Seen entlang und durch die Hochebene auf. So bekennt er vor der verblüfften Sirpa seine Liebe zu ihr. Er, der immer die schnellst möglichsten Verbindungen auswendig gelernt hat, weiß nun, dass Zeitersparnis und Schnelligkeit nicht das Wichtigste sind – ja, dass gerade in Umwegen eine Chance liegt, das Glück zu finden.

Die Seele lebt vom Zeithaben

Die Seele lebt vom Zeithaben und nicht vom Zeit sparen. Und ich bin überzeugt, das gilt auch für viele andere Situationen: Entschleunige dein Leben, sonst übersiehst du das wirklich Schöne und Wichtige. Und auch das, was dein Leben lebenswert macht.
Vielleicht schreibe ich meinen Terminkalender nicht so voll wie sonst – und denke an Hannes und Sirpa, die sich Zeit nahmen und die Liebe fanden.

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