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Rettung
Michael Schwarzenberger/Pixabay

Rettung

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt
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In meiner Familie sitzen wir in diesen Tagen oft lange beim Essen. Wir erzählen Geschichten von damals, als die Kinder noch Kinder waren.
Manchmal erzähle ich dann auch aus meiner Jugendzeit. Zum Beispiel von meinem Bootsunfall auf dem Rhein.

Ein Bootsunfall auf dem Rhein

Der Rhein war an diesem Tag sehr befahren. Die vielen Ausflugsdampfer, Segler, Jachten verursachten viele Wellen. Wir waren in einem Ruderboot unterwegs – fünf 18-Jährige. Die Stimmung an Bord war bestens: Sonntag, Sommer, Sonnenschein. Wir winkten den Schiffen, die an uns vorbeifuhren. Plötzlich schlug eine große Welle ins Boot und dann gleich eine zweite. Das Boot lief voll und sank. Nur der Holzrand blieb an der Wasseroberfläche. Mit vereinten Kräften gelang es uns, das Boot unter Wasser umzudrehen. Wir hielten uns am Boot fest und damit über Wasser, so gut es eben ging. Es war aussichtslos, ans Ufer zu kommen. Die Strömung trieb uns einfach weiter. Wir schrien immer wieder um Hilfe. Aber die meisten Schiffe waren zu groß, um uns zu hören. Endlich kam ein Segelschiff. Dessen Seglerinnen zogen uns aus dem Wasser. Wir zitterten und zitterten. Plötzlich spürten wir, wie viel Angst wir gehabt hatten. Irgendwann wurde mein Kopf wieder klar: Wir sind gerettet! Wir haben überlebt.

Meine Zuhörerinnen und Zuhörer am Familientisch kennen die Geschichte natürlich längst. Sie beschweren sich regelmäßig am Ende: „Jedes Mal erzählst du diese Geschichte anders!“ Stimmt. So genau erinnere ich mich nicht mehr an jedes Detail.

Psalmworte können helfen, Angst zu überwinden

Aber woran ich mich ganz genau erinnere, ist der Moment auf dem Segelboot, als mir klar wurde: Wir haben überlebt! Und fühle wieder: Ich bin gerettet! Dieses Gefühl habe ich heute noch genauso stark wie damals. Wenn ich als Pfarrerin für Menschen da bin, die in großer Angst leben, dann muss ich daran denken. Ich spreche mit ihnen oft Worte aus einem Psalm in der Bibel, in dem es um Rettung geht: „Gott, ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen. Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser.“ Und weiter heißt es in dem Psalm: „Erhöre mich, Gott mit Deiner treuen Hilfe!“

Im Moment gibt es kaum Hilfe für die Geflüchteten auf dem Mittelmeer

Auch Ertrinkende im Mittelmeer schreien in diesen Tagen um Hilfe. Die Häfen in Italien und anderen Ländern sind seit der Corona-Krise dicht, noch dichter als vorher schon. Private Boote dürfen nicht mehr auslaufen, um Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Und die Rettungsschiffe, die schon auf dem Meer waren, kommen kaum mehr in die Häfen rein. Das deutsche Rettungsschiff Alan Kurdi von der Hilfsorganisation Sea Eye war fast zwei Wochen auf See, ehe es einen Hafen anlaufen durfte.

Gottvertrauen allein hilft da wenig. Es gibt Situationen, da sind Menschen auf den Beistand anderer angewiesen. Ganz praktisch und konkret. Für die Flüchtlinge im Mittelmeer ist überlebenswichtig, dass sie erfahren: Wir gehören zusammen. Wir sind füreinander da und retten, wenn jemand in Not ist.

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