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Marie liebt Schubladen
Bild: carolineherbert14/Pixabay

Marie liebt Schubladen

Kathrin Wittich-Jung
Ein Beitrag von Kathrin Wittich-Jung, Evangelische Pfarrerin, Studienleiterin, Hofgeismar
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Marie Kondo liebt Ordnung.

Am meisten liebt sie Schubladen: Da hat sie einen ganz wunderbaren Überblick über die feinsäuberlich gefalteten T-Shirts und Pullover. Die Schubladen erleichtern das Leben. Das erklärt sie mir auf Netflix und ich sehe ihr beim Aufräumen zu.

Ich habe auch einige Schubladen: Klar, in Bad und Küche. Aber auch in meinem Kopf.
Für jedes Klischee gibt es da eine: Eine für die Raser. Die für Veganerinnen und Fleischesser. Für Katzenliebhaber und Hundefreunde. Für Flüchtlinge und Helfer. Für die, die Grenzen am Liebsten zu machen würden. Und und und…. Die Schubladen machen mein Leben leichter. Schublade auf. Vorurteil rein. Fertig.

„Ach, der hat wieder gegen die Veganer gewettert?“ denke ich, „war ja klar, für den ist ja Fleisch das Gemüse.“
Ach wie einfach ist die Welt. So gut sortiert und ich weiß immer, wer auf der guten Seite steht und wer nicht. 

Marie Kondo liebt Ordnung. Aber einmal im Jahr macht sie Unordnung. Da kippt sie nämlich alle Schubladen aus. Und dann liegt der Inhalt auf einem großen Haufen. Und sie rät uns es ihr gleich zu tun und sie ermuntert uns: „Nimm jedes Teil in die Hand. Betrachte es. Drehe und wende es. Überleg, wann du es zuletzt in der Hand hattest. Wenn es dir am Herzen liegt, dann leg es wieder in die Schublade.
Wenn nicht, dann entsorge es.“

Vielleicht sollte ich meine Schubladen im Kopf auch mal ausmisten. Denn mein Glaube sagt mir, dass Schubladendenken nicht gut ist.

Jesus hat das ja auch nicht gemacht. Er ist zu allen Menschen gegangen. Den Reichen und den Armen. Den Coolen und den Unangenehmen. Und er hat sich sogar mit denen unterhalten, die nicht mit ihm auf einer Wellenlänge waren. Jesus hat einfach nur den Menschen gesehen und war offen für ihn und seine Sichtweisen. Wo es nötig war, hat er sich mit Ihnen und ihren Auffassungen auseinandergesetzt und diskutiert. Manchmal auch auf seinem Standpunkt beharrt. Aber er ist Ihnen erstmal vorurteilsfrei gegenübergetreten.

Also für meine Schubladen voller Klischees heißt das dann ja wohl: Einmal ausmisten, bitte. Klischees betrachten. Wenn ich eins berechtigt finde, überlegen, ob ich es auch gut fände, wenn ICH in dieser Schublade wäre. Aber ich möchte dann mein Vorurteil nicht zum festen Urteil werden lassen. Und den Menschen sehen und ihm offen gegenübertreten.

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