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Hildegard Schaeder Gerechte unter den Völkern
Foto: pixabay / hurk

Hildegard Schaeder Gerechte unter den Völkern

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad
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Als junge Wissenschaftlerin kam Hildegard Schaeder in den Dreißiger Jahren nach Berlin. Sie war Christin. Sie ging sonntags oft in die Kirche. Schnell bekam sie mit, dass in ihrer Kirchengemeinde neben den Gottesdiensten ein Besuchsdienst wichtig war. Es gab Leute, die im Geheimen alte Ehepaare aus der Gemeinde besuchten, die sich verstecken mussten, weil sie Juden waren oder aus anderen Gründen verfolgt wurden. 

Es ging zunächst darum,  ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Die Leute wussten, dass sie deren schreckliches Schicksal nicht ändern konnte – ganz besonders nicht nach Kriegsausbruch. Viele der jüdischen Bürger hatten sich taufen lassen. Manche hofften, so der natio-nalsozialistischen Judenfeindschaft zu entgehen. Aber bald mussten sie einsehen, dass ihnen auch das nichts half.

Als die großen Deportationen in die Konzentrationslager begannen, blieb es nicht nur bei den Besuchen, es ging um Verstecken.  
Hildegard Schaeder selbst versteckte jüdische Nachbarn. Sie wollte ihnen Zeit ver-schaffen und eine Möglichkeit zur Flucht finden. Sie besorgte dazu Medikamente, Nahrung und Kleidung. Manchen Juden gelang die Flucht, weil Hildegard Schaeder ihnen dazu verholfen hat.
Aber dann wurde sie im September 1943 von Nachbarn denunziert und im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück interniert. 
Hildegard Schaeder überlebte diesen Ort des Grauens; ihrer Verurteilung zum Tode entkam sie durch das mutige Einschreiten einer polnischen Mitgefangenen. 
Nach dem Krieg ist Hildegard Schaeder als Wissenschaftlerin nach Frankfurt gekommen. Hier ist sie auch beerdigt. Im Stadtteil Oberrad ist eine Straße nach ihr benannt. Im Talmud gibt es einen Satz, es ist ein wichtiges religiöses Werk des jüdischen Glaubens. Der Satz heißt: Wer auch immer ein einziges Leben rettet, der ist, als ob er die ganze Welt gerettet hätte. (babylonischen Talmud Traktat Sanhedrin 37a)
Und: Die Gerechten aus den Völkern haben einen Platz in der kommenden Welt. Soweit der Talmud.

Heute ist „Gerechter unter den Völkern“ in Israel ein Ehrentitel für nichtjüdische Menschen, die ihr Leben eingesetzt haben, um Jüdinnen und Juden vor der nationalsozialistischen Verfolgung und Ermordung zu retten. Hildegard Schaeder ist dieser Ehrentitel verliehen worden, weil sie so eine „Gerechte unter den Völkern“ war. Sie hat Menschenleben gerettet, auch wenn es für sie selbst gefährlich wurde.

Für den Talmud gibt es nichts Größeres als „Leben“. Deshalb ist die  größte Aufgabe des Menschen, Leben zu schützen und zu retten. Das ist eine große Verpflichtung. Genug gibt es dabei nie. Es gibt so viele Menschen, die auf Hilfe und Schutz angewiesen sind. Aber der Talmud sagt: Ich muss nicht die ganze Welt retten. Ein 
Mensch reicht. Es zählt der Anfang. Aber mit dem Anfangen soll ich nicht aufhören. 

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