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Distelfink - Vogel des Jahres 2016
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Distelfink - Vogel des Jahres 2016

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

Es war gegen Ende der Schöpfung: Gott war praktisch fertig, als er einen unscheinbaren, kleinen Vogel entdeckte, der noch keine Farbe abbekommen hatte. Nun tat Gott, was man in so einer Situation tut: Er kratzte die Reste zusammen und malte den Vogel bunt an.

So jedenfalls erklärt die Legende, woher dieser ungewöhnlich farbenfrohe Vogel kommt, der ab und zu in unseren Gärten singt: der Distelfink, auch Stieglitz genannt. Der Naturschutzbund Deutschland hat ihn zum Vogel des Jahres 2016 gekürt. Die Laute des Distelfinks sind unverwechselbar: „didlilit – didlilit“ – daher auch der Name Stieglitz. Triller und Schnörkel wechseln sich mit hastig vorgetragenem Zwitschern ab. Der Distelfink ist äußerst gesellig. Er schläft und sucht Futter in Gemeinschaft. Der zierliche Vogel ist unermüdlich im Gesang und sehr zutraulich. Er lebt von den Samen der Dornen und Disteln.

Schon früh erkannten die Menschen in ihm ein Bild für Jesus. Jesus war einer, der bescheiden auftrat und auf die Menschen zuging. Er liebte das Leben und gute Gesellschaft. Sein Leben war gar nicht eintönig und grau, es war bunt. Das behielt er nicht für sich. Vielen hat er eine Ahnung davon gegeben, wie sie glücklich werden können. Als die Mächtigen ihn nicht mehr ertragen haben, trieben sie ihn in die Enge und setzten sie ihm eine Dornenkrone auf. Mit der Last der Welt auf den Schultern und mit Dornen in der Stirn starb er am Kreuz.

Mir gefällt die Idee, den Distelfink als Symbol für Jesus zu wählen. Ausdauernd – bunt – fröhlich war er. Und trotzdem musste er leiden und starb am Kreuz. Zu meinem Leben gehört auch beides: das Bunte und das Graue; die Freude und die Traurigkeit. Sie stehen nicht unverbunden nebeneinander. Friedrich Schiller hat gesagt: „Des Lebens ungemischte Freude wird keinem Irdischen zuteil“. Mir macht das keine Angst. Ich bin damit einverstanden, dass ich auch im Jubel spüre, dass ich vergänglich bin. Wenn ich traurig bin, so hoffe ich, dass die Freude nicht fern ist.

Da geht es mir wie dem Distelfink. Er muss auch riskieren, dass er von den Stacheln verletzt wird, wenn er den Samen zwischen den Dornen herauspickt. Der Stieglitz ist zum Vogel des Jahres 2016 gewählt worden, weil er immer seltener wird. Ihm kommt bei uns der Lebensraum abhanden. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, das Biotop des farbenfrohen Finken zu erhalten. Schon kleine, naturbelassene Ecken im Garten, an Sport- und Spielplätzen, auf Ackerflächen oder an Straßenrändern tragen dazu bei. Ich will in diesem Frühjahr die Augen nach ihm offen halten. Ich hoffe, ich sehe einen.

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